Im grünen Berliner Ortsteil Westend, im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf, entsteht derzeit das neue Wohnquartier „Maison Westend“. Die Lagrande Group Projektmanagement GmbH und die Berliner Wohnungsbaugesellschaft degewo AG realisieren dieses Projekt gemeinsam. Gebaut wird das Wohnquartier auf einem etwa 11.000 Quadratmeter großen Grundstück an der Reichsstraße, Ecke Spandauer Damm, nahe dem Olympiapark, der Havel und dem Grunewald. Die Planung des Architekturbüros Tchoban Voss Architekten umfasst insgesamt 13 sechs- bis siebengeschossige Wohngebäude, die sich auf den 13 Grundstücksparzellen um einen ruhigen, grünen Wohnhof gruppieren.
Fertigstellung der ersten drei Wohngebäude
Das neue Quartier wird in mehreren Bauabschnitten realisiert. Die Lagrande Group als Bauherr und Projektentwickler errichtet elf der geplanten 13 Gebäude, die degewo zwei. Die Fertigstellung der ersten drei Wohngebäude der Lagrande Group ist für das zweite Quartal 2025 geplant. Insgesamt werden 256 größtenteils barrierefreie Wohneinheiten mit unterschiedlichen Größen von 35 bis 101 Quadratmeter für Singles, Paare und Familien entstehen. Weitere 61 Einheiten, eine Kindertagesstätte sowie ein Spielplatz werden durch die degewo errichtet. Alle Wohnungen verfügen über einen eigenen Balkon oder Mietergarten.
Städtebaulich wird das neue Quartier durch eine kleinteilige straßenbegleitende Bebauung in die vorhandene urbane Struktur eingebunden und so ein harmonischer Übergang zum sich anschließenden gründerzeitlichen Altbaubestand des Ortsteils Westend hergestellt. Versetzte Traufen betonen den Maßstab des klassischen Berliner Wohnhauses und sorgen für ein belebtes Straßenbild.
Rezyklierte Gesteinskörnung als Zuschlagstoff für RC-Beton
Auf dem Grundstück wurden Mitte der 1960er-Jahre zwei Wohnhochhäuser – eines davon 40 Meter hoch – in Stahlbetonplattenbauweise errichtet. Diese erwiesen sich 2019 zum Zeitpunkt der Übernahme durch die Lagrande Group als nicht mehr sanier- oder instandsetzbar und wurden Ende 2022 bis Anfang 2023 abgerissen. „Wir haben bei der Planung der neuen Wohnanlage Maison Westend im Sinne des nachhaltigen Bauens und der Kreislaufwirtschaft darauf Wert gelegt, den Beton der abgebrochenen Vorgängerbauten als rezyklierte Gesteinskörnung wiederaufzubereiten und für den Bau der neuen Wohnanlage als Recycling-Beton wiederzuverwenden“, berichtet Yasemin Flohr, Architektin und verantwortliche Projektleiterin der Lagrande Group für das Maison Westend. Der Abbruch der Wohntürme und die Wiederaufbereitung des dadurch gewonnenen Altbetons übernahm ein Tochterunternehmen von Heidelberg Materials Mineralik, die Berliner RWG I Gruppe. 1985 als Gartenlandschaftsbetrieb gegründet, spezialisierte sich das Unternehmen in den folgenden Jahren auf Abbruch und Baustoffrecycling. „Während wir früher Betonabbruchmaterial zu großen Teilen für den Straßenbau produzierten, wo es hauptsächlich zur Verfestigung des Bodens oder als Frostschutzschicht verwendet wurde“, so berichtet Oliver Schumacher, Geschäftsführer der RWG, „stellen wir heute hochwertige rezyklierte Gesteinskörnung als Zuschlagsstoff für RC-Beton her.“ So wurde das Betonabbruchmaterial der Wohntürme im nahe gelegenen RWG-Hauptstandort am Wiesendamm als hochwertige, zertifizierte rezyklierte Gesteinskörnung wiederaufbereitet und anschließend dem Beton des Neubauvorhabens wieder zugefügt. „Recycelter Betonabbruch“, so Schumacher, „bietet zwei große Vorteile: Zum einen sparen wir damit Primärrohstoffe wie Sand und Kies ein, die als Gesteinskörnungen bei der Betonherstellung eingesetzt werden. Zum anderen lassen sich die beim Recycling anfallenden Feinmaterialien als Brechsande abtrennen und anschließend als alternatives zementhaltiges Roh- oder Füllmaterial wieder der Zementproduktion zuführen.“ Die RWG-Gruppe gehört seit Anfang 2023 zu Heidelberg Materials Mineralik. Langfristiges Ziel ist es, eine Kreislaufwirtschaft zu etablieren und damit bei der Herstellung der Produkte dem Einsatz von rezyklierten Gesteinskörnungen Vorrang gegenüber Primärrohstoffen zu geben. „Die Nachfrage nach RC-Beton wächst kontinuierlich. Mehr und mehr Bauherren, wie eben auch die Lagrande Group, legen Wert darauf, mit RC-Beton zu bauen“, erläutert Oliver Schumacher.
Einsatz von CO2-reduziertem Beton mit RC-Material
Anfänglich war der Wohnkomplex Maison Westend in Ortbeton geplant. Aus Zeitgründen mussten jedoch bis zu 80 Prozent der Bauteile als Fertig- oder Halbfertigteile aus Beton realisiert werden. „Hier konnten wir die Betonfertigteilsparte der Heidelberg Materials AG einbinden, die sämtliche Decken und Wände als Halbfertigteile sowie Treppen und Balkone produziert und liefert“, erklärt Lars Löwigt von Heidelberg Materials Beton.
„Produziert werden die 4.800 Quadratmeter Elementdecken und 3.000 Quadratmeter Doppelwände für die ersten drei Gebäude als Halbfertigteile im Betonelemente-Werk Lindwerder“, so Vertriebsleiter Bolan Aslan von Heidelberg Materials Betonelemente. „Treppen und Balkone kommen aus unserem Werk in Laußnitz.“
Die Elementdecken und Doppelwände wurden anschließend mit einem um 30 Prozent CO2-reduzierten Beton evoBuild inklusive einem 25-prozentigen Anteil rezyklierter Gesteinskörnung mit einer Korngröße von 16 Millimeter verfüllt. „Nachdem wir erfahren hatten, dass der Abbruch der alten Gebäude und die Wiederaufbereitung des RC-Materials durch die Heidelberg-Materials-Tochter RWG erfolgt war, sind wir an die Bauherren herangetreten und haben vorgeschlagen, einen CO2-reduzierten Recyclingbeton einzusetzen. Allein durch den Zementwechsel, also den Einsatz des von Heidelberg Materials entwickelten evoBuild, konnten wir eine zirka 30-prozentige CO2-Einsparung gegenüber herkömmlichem Beton erreichen“, so Lars Löwigt.
Die Verfüllung der Halbfertigteile mit insgesamt zirka 3.500 Kubikmeter Transportbeton erfolgte über Betonpumpen der Heidelberg Materials AG sowie mit Kran und Kübeln. Die Pumpbarkeit ist dabei kein Problem. Löwigt: „Dieser CO2-reduzierte Transportbeton ist im gängigen Normalbetrieb pumpbar.“ Die Betonüberwachung erfolgt über das Heidelberg Materials Tochterunternehmen BetoTech Baustofflabor GmbH.
Einbau von Betonsensoren zur Erkennung der Frühfestigkeit von Betonen
Ebenfalls von entscheidender Bedeutung bei Bauprojekten ist die Überwachung der Betontemperatur, da sie sich direkt auf Qualität, Festigkeit und Dauerhaftigkeit des fertigen Bauwerks auswirkt. Die Aufrechterhaltung der richtigen Temperatur während des gesamten Aushärtungsprozesses ist für die ordnungsgemäße Hydratation des Betons und die Gewährleistung einer optimalen Festigkeitsentwicklung unerlässlich. Kalte Wetterbedingungen verlangsamen den Hydratationsprozess, was zu einer Verlangsamung der Festigkeitsentwicklung führt. Übermäßige Hitze beschleunigt die Verdunstung von Wasser, was zu Rissen in der Oberfläche führen kann. Die Aufrechterhaltung eines angemessenen Temperatur- und Feuchtigkeitsniveaus erleichtert die optimale Hydratation, sodass der Beton seine beabsichtigte Festigkeit und Haltbarkeit erreichen kann.
Die Überwachung der Temperatur des verbauten Betons auf der Baustelle kann inzwischen auch über digitale Sensoren erfolgen. Beim Neubau Maison Westend, bei dem der CO₂-reduzierte Beton evoBuild verbaut wird, wurden Betonsensoren direkt in die Ortbetonteile bzw. in die mit Ortbeton zu verfüllenden Betonhalbfertigteile fest verbaut. Die Sensoren mit zwei Temperaturmesspunkten werden an ausgewählten Bewehrungsstäben der zu verfüllenden Bauteile befestigt. Anschließend werden sie per Smartphone aktiviert und einbetoniert. Nach erfolgter Betonage messen die Sensoren alle 15 Minuten die Wärme im Betonbauteil und berechnen mit Hilfe eines Reifegradmodells die Druckfestigkeit des Betons. Im Radius von etwa 12 Metern um das entsprechende Bauteil können die Daten mittels Smartphones und inkludierter App nach Bedarf abgerufen werden. Über einen zusätzlichen Smart Hub als zentrale Schaltstelle besteht die Möglichkeit zur automatisierten Auslesung der Daten.
Die Vorteile dieser Datenerfassung bestehen insbesondere darin, dass die Druckfestigkeit des Betons jederzeit exakt erfasst und auch via Fernüberwachung rund um die Uhr abgelesen werden kann. Damit kann der perfekte Zeitpunkt zum Ausschalen oder Glätten von Oberflächen bestimmt werden. Die drahtlosen Sensoren bieten somit Zeit- und Kostenersparnisse beim Betonbau und verbessern zusätzlich die Qualität und Dauerhaftigkeit von Betonstrukturen. Darüber hinaus können durch eine reduzierte Anzahl an Probekörpern, die von Mitarbeitenden auf der Baustelle gefertigt werden müssen, Kosten eingespart werden. Oftmals werden aber noch Erhärtungswürfel hergestellt. Hierbei wird aber nicht die Temperatur überwacht, sondern die Festigkeit geprüft. Die Sensorik bietet hingegen die Chance auf diese Erhärtungswürfel zu verzichten und – mit Hilfe einer Temperaturmessung – live ins Bauteil „zu schauen“. Die Temperatur wiederum gibt Rückschlüsse auf die Reife des entsprechenden Betons. Dieses ist auch normativ abgedeckt. Nicht verzichtet werden kann hingegen auf die 28-Tage-Würfel, die im Rahmen der ÜK2-Überwachung hergestellt werden müssen. „Nach unserer Erfahrung“, so berichtet Lars Löwigt, „bewähren sich diese Sensoren insbesondere beim Einsatz innovativer Betone. Wir arbeiten hier mit klinkeroptimierten und damit CO₂-reduzierten Zementen, haben die Betonrezepturen optimiert und betonieren teilweise bei nicht unbedingt optimalem Wetter. Auch unter diesen Bedingungen erzielen wir, nachdem wir die Sensoren zuvor in unserem Labor kalibriert haben, optimale Ergebnisse und können so die Ausschalungszeiten – und damit die gesamte Bauzeit – bestmöglich verkürzen.“
Nachhaltiges Bauen – KFW 55 und DGNB-Standards
Gebaut wird das Maison Westend entsprechend den aktuellen Anforderungen an das nachhaltige Bauen. Yasemin Flohr berichtet: „Die ersten drei Gebäude werden nach dem von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) entwickelten Standard KfW 55 für energieeffiziente Gebäude errichtet. Diese erfordern lediglich 55 Prozent der Energie eines konventionellen Neubaus und sind daher besonders umweltfreundlich.“ Auf eine Zertifizierung durch die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V. wurde in diesem Falle verzichtet. „Mit KfW-55 als unserem Standard hätten wir, so unsere Bauphysiker, das DGNB Zertifikat Silber erreicht.“ Die in den späteren Bauabschnitten geplanten acht weiteren Wohngebäude werden das DGNB Zertifikat Gold erfüllen. „Begrünte Dachflächen und der Einsatz von Photovoltaikanlagen sind“, so Yasemin Flohr, „natürlich auch schon bei den ersten drei Gebäuden selbstverständlich, ebenso wie die nachhaltige Konzeption der zwei Tiefgaragen, die mit etwa 100 Stellplätzen mit E-Ladestation versehen ist. Darüber hinaus sind zwei Standorte mit E-Mobilitäts-Hub mit einem Anbieter für Carsharing, E-Bikes und E-Roller geplant.“
Info: Ein Grundstück mit Nachhaltigkeitsgeschichte
In Verbindung mit dem Grundstück Reichsstraße 53-58 wurde früh Nachhaltigkeitsgeschichte geschrieben. Genau hier befand sich im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eines der größten Ausflugslokale Berlins. 1840 hatte der bayrische Bierbrauer Conrad Bechmann, der in Spandau eine Brauerei besaß, das heute im Winkel zwischen Spandauer Damm und Reichsstraße gelegene Gelände erworben und dort einen kleinen Ausschank eröffnet. Nach dem hier im Frühjahr ausgeschenkten dunklen Bockbier erhielt die Gaststätte den Namen „Spandauer Bock“ – und erfreute sich schon bald größter Beliebtheit. An manchen Tagen wurde der Ausschank von bis zu zwanzigtausend Menschen besucht. Nicht nur, aber auch wegen der Beliebtheit und großen Besucherzahlen führte schon bald eine Verkehrsverbindung von der Berliner Innenstadt zu diesem Ort. 1882 wurde von dem deutschen Erfinder und Elektroingenieur Ernst Werner Siemens auf der Strecke Charlottenburg – Spandauer Bock der weltweit erste Probebetrieb einer elektrischen Straßenbahn mit Oberleitung aufgenommen.
Erst in den 1930er-Jahren wurde die Gaststätte geschlossen. Nach weiteren Nutzungen wurden 1964 auf dem Grundstück zwei Wohnhochhäuser – eines davon 40 Meter hoch – in Stahlbetonplattenbauweise errichtet, die sich 2019, als sie von der Lagrande Group übernommen worden waren, als nicht mehr sanier- oder instandsetzbar erwiesen. 2021 wurde ein städtebaulicher Vertrag zwischen dem Bezirksstadtrat Charlottenburg-Wilmersdorf, Lagrande und degewo über eine neue bauliche Entwicklung des Grundstücks geschlossen. Ende 2022 bis Anfang 2023 wurden die beiden alten Wohntürme abgerissen. Bei der Planung der neuen Wohnanlage Maison Westend wurde darauf Wert gelegt, den Beton der abgebrochenen Vorgängerbauten als rezyklierte Gesteinskörnung wiederaufzubereiten und – in Kombination mit einem CO2-reduzierten evoBuild-Beton von Heidelberg Materials – für den Bau der neuen Wohnanlage als Recycling-Beton wiederzuverwenden.
Norbert Fiebig
Objektsteckbrief
Projekt: Neubau Maison Westend, Berlin-Charlottenburg
Bauherr, Auftraggeber: Lagrande Group Projektmanagement GmbH, Berlin, gemeinsam mit der Berliner Wohnungsbaugesellschaft degewo AG
Bauunternehmen: Bauprojekt UKA GmbH, Giesen
Architekt: Tchoban Voss Architekten, Berlin
Energetisches Konzept/Nachhaltigkeit: KfW 55
Abbruch, Altbetonaufbereitung und rezyklierte
Gesteinskörnung: RWG I Gruppe, Berlin
Beton: Recyclingbeton C30/37 XC4,XF1, evoBuild 70 CO2-reduzierter Beton, CSC Level 1; C30/37 XC4,XF1, evoBuild R30 Recycling Beton, Heidelberg Materials Beton DE GmbH, Berlin
Betonfertig- und Halbfertigteile: Heidelberg Materials Betonelemente DE GmbH & Co. KG, Werk Jessen (Elster), Sachsen-Anhalt
Betonüberwachung: Betotech Baustofflabor GmbH, Bereich Berlin
Zement: CEM III/A 32,5 N LH (na) (evoBuild 50, CO2-reduzierter Zement); CEM II/B-S 42,5 N, Heidelberg Materials, Werk Königs Wusterhausen
Geplante Fertigstellung: 2025