Die Bauarbeiten sind in vollem Gang: Bis Sommer 2024 wird die neue Kindertagesstätte Sonnenland im unterfränkischen Alzenau entstehen, die qualitätvolle Architektur mit einem umfassenden Energiekonzept verbindet. Bereits im Rahmen des Vergabeverfahrens legte die Stadt als Bauherr besonderes Augenmerk auf Nachhaltigkeit und Klimagerechtigkeit, für den Bau ebenso wie für den Betrieb des Gebäudes. Erwartet wurde ein energetisches Gesamtkonzept und eine an ökologischen Aspekten orientierte Herangehensweise. Die Stuttgarter Architekten Claudia und Theo Härtner konnten das Verfahren mit ihrem Entwurf für sich entscheiden. Sie entwickelten für das zwischen Grünanlage und stark befahrener Bezirksstraße liegende Areal einen L-förmigen Baukörper, der klar strukturiert ist. Die Gruppenräume der Kinder öffnen sich mit raumhohen Glasfronten nach Westen, zur ruhigen Gartenseite mit Spielbereich, während die Nebenräume zur Straße orientiert sind und dort als Boxen aus der Fassade ragen. Im Kopfbau an der Nordseite, der zugleich den neuen Vorplatz definiert, befinden sich Zugang, Verwaltung, Mehrzweckraum sowie die Küche. Als belebtes Zentrum der Kita ist das großzügige Foyer mit heller, offener Holztreppe und breiten Sitzstufen gestaltet. Von hier führt der Flur, der sich an den Fenstern zu gemütlichen Spielpodesten aufweitet, zu den Krippenräumen im Erdgeschoss und den Bereichen für die älteren Kinder im Obergeschoss.
„Im Inneren wird das Haus die Kinder mit einladender, warmer Atmosphäre empfangen. Sichtachsen und Ausblicke ermöglichen eine einfache Orientierung. Wichtig war uns die Umsetzung eines intelligenten, aber technisch einfachen Klimakonzepts mit minimalem Technik- und Wartungseinsatz.“
Claudia Härtner, Architektin
„Die neue Kindertagesstätte fügt sich als plastisch gegliederter Baukörper in den Kontext ein und öffnet sich zur ruhigen Gartenseite. Die Metallschindelfassade bildet eine schützende Außenhaut zur Bezirksstraße. Zum Garten – im Tastbereich der Kinder – ist eine Holzfassade vorgesehen“, erläutert Claudia Härtner ihren Entwurf. Doch der Baukörper beherbergt nicht nur die siebengruppige Kita, sondern auch sechs Wohnungen, die über der Kita liegen und separat erschlossen sind. Mit dieser ungewöhnlichen und flächensparenden Kombination nutzt die Wohnungsbaugesellschaft des Landkreises Aschaffenburg die Chance, neuen bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, in Form von zwei größeren Eckwohnungen und vier barrierefreien Zwei-Zimmer-Apartments.
Massivbau und aufgesattelter Holzbau
Hinsichtlich der Bauweise ist das Projekt ein Hybrid. Während die Wohnungen im zweiten Obergeschoss in Holzbauweise realisiert werden – mit vorgefertigten Wand- und Dachelementen aus Brettsperrholz – sind die beiden Etagen der Kita als Massivbau ausgeführt, mit Kalksandsteinmauerwerk und Stahlbetondecken; auch die Treppenhäuser und die Boxen mit den Sanitärbereichen sind in Stahlbeton konzipiert. Die massive Bauweise der Kita ist integraler Bestandteil des Energiekonzepts. Das Low-Tech-Gebäude mit Nachtauskühlung entspricht der Vorgabe der Stadt nach minimiertem Energiebedarf, Tageslichtnutzung, natürlicher Lüftung und passiver Kühlung. Dabei spielt die Speicherfähigkeit der Bauteile eine wesentliche Rolle: Die tagsüber in Wänden und Decken aufgenommene Wärme wird durch die kühle Nachtluft abgeführt, die über schmale Öffnungsflügel hereinströmt. Zugleich speichern die massiven Elemente die Kühle für den nächsten Tag.
Recyclingbeton für Bodenplatte und Geschossdecken
Rund 1000 Kubikmeter Beton fließen in dieses Projekt – davon über 60 Prozent als EcoCrete 50 R. Dieser CO2-sparende und ressourcenschonende Recycling-Beton kommt für die Bodenplatte sowie für die Decken über Erdgeschoss und erstem Obergeschoss zum Einsatz, mit insgesamt rund 600 Kubikmetern. Die Besonderheit dieses R-Betons ist die CO₂-Minderung von mindestens 50 Prozent gegenüber dem Branchenreferenzwert durch die Verwendung optimierter Zemente, die einen deutlich geringeren Klinkeranteil aufweisen, wodurch der prozessbedingte Kohlendioxid-Ausstoß deutlich gesenkt werden kann. Es müssen jedoch auch die Frachtwege betrachtet werden, die ebenfalls zu CO2-Emmisionen führen. Bei diesem Bauvorhaben kommen die durchweg kurzen Anlieferwege von Zement und Zuschlagstoffen ins Transportbetonwerk Alzenau sowie die geringe Entfernung zur Baustelle der CO2-Ersparnis zugute. Darüber hinaus wird rezyklierte Gesteinskörnung verwendet. Bei diesem Projekt beträgt der Anteil des Rezyklats aus Betonsplitt 30 Prozent. Verwendet werden hierfür ausgemusterte Beton-Bahnschwellen. Diese sind monolithisch und weder bewehrt noch erhalten sie Fremdstoffe. Deshalb können sie quasi sortenrein rezykliert werden. Für die Wiederverwendung werden sie gebrochen, gesiebt und gewaschen und als Betonsplitt für Transportbeton zertifiziert.
„Mit dem EcoCrete 50 R sparen wir nicht nur CO2 und Ressourcen im Produktionsprozess, indem wir optimierte Zemente und rezyklierten Betonsplitt verwenden. Durch die räumliche Nähe zur Baustelle und der regionalen Verfügbarkeit des Zements aus dem Werk Lengfurt wirkt sich auch der Transportweg positiv auf den CO2-Footprint aus.“
Benjamin Appel, Heidelberg Materials Beton, Vertriebsleiter Rhein-Main
In Verarbeitung und Anwendungsmöglichkeiten unterscheiden sich R-Beton und Normalbeton in der Regel nicht wesentlich. Da die Betonierarbeiten für die Kita allerdings im Winter stattfanden, benötigte der R-Beton wegen des langsam erhärtenden Zements bei niedrigen Temperaturen etwas mehr Zeit zum Aushärten. Das war auch ein Grund dafür, warum für die Wände kein EcoCrete genutzt wurde. Denn dies hätte beim Ausschalen der vertikalen Flächen zu Verzögerungen im Bauablauf geführt, weshalb sie aufgrund des Zeitdrucks zur Fertigstellung mit Normalbeton ausgeführt wurden.
Begrünte Fassade zum Garten
Sichtbar sind die Betonflächen später teilweise im Inneren, außen jedoch nicht: Das Gebäude wird von einer homogenen Fassade aus Aluminiumschindeln bekleidet – ausgenommen der Gartenseite, die als Holzfassade ausgeführt wird. Die vorgeschriebenen Fluchtbalkone sind als schlanke Stahlkonstruktion vorgestellt. Ein filigranes Streckmetallgitter dient als Geländer und Rankhilfe für Kletterpflanzen. So wird die begrünte Hülle die Gruppenräume später auf natürliche Weise vor zu viel Sonne schützen und sie mit ihrem Licht- und Schattenspiel beleben. Das Gebäude erfüllt die Anforderungen an ein Effizienzhaus 55 (Kita) und 40 (Wohnungen). Beheizt wird es mittels Wärmepumpe. Auf dem begrünten Flachdach werden PV-Module die Sonnenenergie für Strom nutzen und so das ressourcenschonende Gesamtkonzept abrunden.
Claudia Fuchs
Objektsteckbrief
Projekt: Siebengruppige Kindertagesstätte Sonnenland mit Wohnungen, Alzenau
Bauherr: Stadt Alzenau, vertreten durch den 1. Bürgermeister Stephan Noll
Architekten: Härtner Architekten, Stuttgart
Energetisches Konzept: ee concept, Darmstadt
Tragwerksplanung: Ing. Büro Herzog, Offenbach
Beton: EcoCrete 50 R, zirka 600 m3, Festigkeitsklasse/Expositionsklasse: C25/30 F3 XC4, XF1, D16, Splitt
Betonlieferant: Heidelberg Materials Beton, Region Süd-West, Werk Alzenau
Zement: CEM III/B 42,5 n – LH/SR, Heidelberg Materials, Werk Lengfurt
geplante Fertigstellung: Sommer 2024