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Bau des Teilchenbeschleunigerzentrums FAIR in Darmstadt // Ausgabe 4/2018

Universum im Labor

Der neue Teilchenbeschleuniger „FAIR“ in Darmstadt soll dabei helfen, die Geheimnisse des Universums zu lüften. Dort nehmen Ionen und Antiprotonen so viel Tempo auf, dass sie fast so schnell sind wie das Licht.

Tiefbau

Man muss groß denken, um den kleinsten Teilchen auf der Spur zu bleiben: Ionen und Antiprotonen mit einem Durchmesser von rund einem zehnmillionstel Millimeter nehmen künftig im neuen Teilchenbeschleunigerzentrum FAIR in Darmstadt extrem hohes Tempo auf. Dort sollen die elektrisch geladenen Teilchen beinahe die Lichtgeschwindigkeit von etwa 299.000 Kilometer pro Sekunde erreichen. Dann prallen sie auf einen Widerstand, auf eine Folie oder biologische Zellproben. Genutzt werden die beschleunigten Ionen und Antiprotonen für Experimente in unterschiedlichen Forschungsgebieten, von Teilchen-, Kern- und Atomphysik über Plasmaphysik und Materialforschung bis hin zur Biophysik und Tumortherapie.

Das internationale Teilchenbeschleunigerzentrum FAIR in Darmstadt soll eine der weltweit größten Forschungseinrichtungen für die physikalische Grundlagenforschung werden und neue Erkenntnisse über den Aufbau der Materie und die Entwicklung des Universums vom Urknall bis heute liefern. Dafür entsteht auf 20 Hektar in den nächsten Jahren eine der komplexesten Beschleunigeranlagen der Welt am GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung, dessen bestehende Beschleunigeranlage als Vorstufe für FAIR genutzt werden wird. Insgesamt entstehen 20 neue Gebäude und ein 1.100 Meter langer Ringtunnel. „Wir bauen den Tunnel in offener Bauweise“, erläutert Sven Sachs, Manager FAIR Site & Buildings. „Unter anderem, weil der Krümmungsradius des Tunnels stellenweise zu klein ist für Vortriebsmaschinen. Der Tunnel wird in Abschnitten von jeweils rund 200 Metern Länge gebaut, an der tiefsten Stelle liegt der Tunnelboden rund 17 Meter unter der Oberfläche und hat bis zu sechs Meter dicke Betonwände“, so Sachs.

Insgesamt 1.350 Bohrpfähle mit bis zu 60 Metern Länge und 1,20 Meter Durchmesser stabilisieren den Baugrund, damit sich die schwere FAIR-Anlage später weniger und vor allem gleichmäßig setzt. „Um die Setzungen abschätzen zu können, führten Geotechniker im Vorfeld umfangreiche Baugrunduntersuchungen durch. Die dabei entnommenen Bodenproben ergaben, dass der Baugrund hauptsächlich aus Sanden, Schluffen und Ton besteht. Solche Böden sind kompressibel, das heißt, sie verändern ihre Dichte unter großem Druck“, erklärt Sven Sachs. „Unser Gründungskonzept sieht daher vor, dass die Bohrpfähle durch eine kombinierte Pfahl-Plattengründung die schweren Gebäude tragen; die weniger schweren Gebäude sind flachgegründet“, so der Ingenieur. Hierdurch werden die Setzungsunterschiede zwischen den Gebäuden und dort, wo durch massive Erdaufschüttungen über und neben den Gebäuden Setzungen im Erdreich zu erwarten sind, weitestgehend ausgeglichen werden.

OBJEKTSTECKBRIEF

Projekt:
Teilchenbeschleunigerzentrum FAIR in Darmstadt Ringtunnel mit einem Umfang von 1.100m diverse Ingenieurbauwerke

Bauherr:
FAIR GmbH, Darmstadt

Bauausführendes Unternehmen (Anlagenbereich Nord):
Porr Deutschland GmbH

Erdaushub (Anlagenbereich Nord):
Züblin und Max Bögl

Zement (Anlagenbereich Nord):
In Liefergemeinschaft: CEM III/B 32.5 N-LH/SR (na) aus dem Lieferwerk Mainz der HeidelbergCement AG
CEM III /A 32.5 N aus dem Lieferwerk Wiesbaden der Dyckerhoff GmbH

Beton (Anlagenbereich Nord):
mbk – Mobile Betonkonzepte GmbH
230.000 m³ Strahlenschutz-Massenbeton
80.000 m³ Ausbaubeton
310.000 m³ Gesamtmenge

Produkt:
UHPC-Compound Effix PLUS von HeidelbergCement für ultrahochfesten selbstverdichtenden Beton der Druckfestigkeitsklasse C150/155 mit 2,5 Vol.-% Mikrostahlfasern, Basalt (Dmax = 8 mm) und Zusatzmitteln

Bauzeit Rohbau (Anlagenbereich Nord):
Mai 2018 bis Dezember 2021

Die Dimensionierung der Bauteile, insbesondere die Stärke der Decken und Wände, muss auch den Anforderungen des Strahlenschutzes genügen. Insgesamt werden für das neue Beschleunigerzentrum bis zu 600.000 Kubikmeter Beton verbaut werden – die Menge reicht für den Bau von acht Frankfurter Fußballstadien. Dafür lohnt sich eine eigene Betonmischanlage der Mobile Betonkonzepte GmbH. Hierfür liefert HeidelbergCement in Liefergemeinschaft mit der Dyckerhoff GmbH für den Anlagenbereich Nord rund 40.000 Tonnen CEM III/B 32.5 N-LH/SR (na) aus dem Werk Mainz. Die Besonderheit: „Der Hochofenzement hat eine niedrigere Wärmeentwicklung beim Abbindevorgang des Betons. Es wird weniger Wärme freigesetzt und die Festigkeitsbildung der Betone mit diesen Zementen läuft langsamer ab als im Vergleich zu CEM-I-Zementen“, erklärt Dr. Klaus Felsch, Projektmanager Infrastruktur bei HeidelbergCement in Deutschland. „Damit werden bei Massenbetonen, wie sie für die dicken Bodenplatten und Wände bei FAIR verwendet werden, Zwangsspannungen infolge Temperaturgefälle zwischen Kern und Oberfläche deutlich verringert und die Rissbildung begrenzt. Die Betone werden hierdurch dauerhafter“, so Felsch. Verbaut werden darüber hinaus 65.000 Tonnen Stahl, was einer Menge von neun Eiffeltürmen entspricht.

„Die Komplexität und Vielfalt der technischen und physikalischen Einbauten sowie der Strahlenschutz stellen besondere Anforderungen an die Planung und Realisierung der Gesamtmaßnahme“, erklärt Dr. Harald Hagelskamp, externer Site Manager bei FAIR. „Eine enge Abstimmung von Hoch- und Tiefbau, technischer Gebäudeausrüstung und Wissenschaft ist daher besonders wichtig.“ Schließlich sollen etwa 3.000 Wissenschaftler aus aller Welt in Zukunft mit FAIR Spitzenforschung betreiben. „Wir geben Wissenschaftlern mit FAIR ein Instrument an die Hand, das ihnen nie dagewesene experimentelle Möglichkeiten bietet“, so Hagelskamp. „Vielleicht gelingt es ja sogar, den Nobelpreis einmal nach Darmstadt zu holen.“

Conny Eck

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