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Eine außergewöhnliche Instandsetzung // Ausgabe 2/2022

Rettung aus der Schieflage

Eine Kugel rollt wie von Geisterhand durch den Raum: Die alte Villa in Othmarschen aus den 1920er-Jahren hatte eine erhebliche Schieflage. Mit einer spektakulären Rettungsaktion bewahrten Andreas Edye Architekten den denkmalgeschützten Bau vor dem Abriss.

Wohnen

Entworfen von dem renommierten Architekten Erich Elingius, entstand die kleine Villa im wohlhabenden Hamburger Stadtteil Othmarschen als eines der ersten Einfamilienhäuser nach dem Ersten Weltkrieg. Das denkmalgeschützte Gebäude ist in massiver Bauweise mit zweischaligen Außenwänden aus hartgebrannten Ziegeln im typischen Hamburger Format errichtet. Besondere Details, wie die Holzfenster mit Originalbeschlägen, sind bis heute gut erhalten. Auch im Inneren sind viele Ausstattungselemente, wie die alte Holztreppe, der Stuck und der Kaminofen, noch in einem erstklassigen Zustand. Gute Gründe, um das Wagnis einer außergewöhnlichen Rettungsaktion einzugehen.

Das Besondere an diesem Haus ist der für die damalige Zeit sehr moderne Stahlbetonkeller. Die Sohle ist zirka 30 bis 40 Zentimeter dick und aus Ortbeton hergestellt, dazu kommen Betonwände und eine Stahlbetondecke. Diese sehr steife Einheit, auf der der Backsteinbau steht, hat das Gebäude gerettet.

Thomas Straka von Andreas Edye Architekten

Das Gebäude war, vermutlich durch Austrocknung der torfhaltigen Böden in der Gegend, um bis zu 50 Zentimeter abgesackt. Es wurde dadurch unbewohnbar und drohte sogar weiter zu versinken.

Die alte Villa stand zuletzt vier Jahr leer. Der neue Eigentümer entschloss sich, das Gebäude trotz der starken Schieflage zu erhalten. Es war zunächst unklar, wie das denkmalgeschützte Haus gerettet werden kann, ohne weitere Schäden zu verursachen. Die Architekten entschieden sich, das komplette Gebäude durch Aufständern anzuheben, nachdem sie sich mit dem Statiker, dem Materialprüfer und dem Bodengutachter beraten hatten und die denkmalrechtliche Genehmigung vorlag. Die ganze Aktion war natürlich nicht ohne Risiko – eine Garantie, dass alles reibungslos funktioniert, gab es nicht.

Für die Nachgründungen von bestehenden und setzungsempfindlichen Bauwerken, die erhalten werden sollen, sind Presspfähle ein geeignetes System. Das Einbringen, Montieren und hydraulische Anheben der Pfähle übernahm eine Spezialfirma. Die Presspfähle wurden bei vollständiger Bodenverdrängung in eine Tiefe von bis zu 14 Metern in den Boden gerammt.

„Wir hatten Glück, dass die Betonsohle so dick ist, nur dadurch war das Aufständern auf Pfählen überhaupt möglich. Es wurden zehn Pfähle im Außenbereich gesetzt, alle weiteren sind aufgrund der relativ schwierigen Bodenqualität unter dem Haus angebracht. Im Keller haben wir an 30 Stellen durch die zirka 40 Zentimeter dicke Betonsohle gebohrt“, erinnert sich Thomas Straka von Andreas Edye Architekten. Die Hebevorrichtung im inneren Bereich besteht aus Gewindestangen, davon werden vier Stück je Bohrung in die Betonsohle eingeklebt. Über die Stangen werden die Kräfte in den Pfahl eingeleitet. Jeder dieser Klebeverbindung überträgt eine Kraft von jeweils fünf Tonnen. Auf diese Vorrichtungen wurde dann jeweils ein Hebezylinder gestellt und an die vier Stangen eine Stahlplatte mit vier Zentimeter Dicke angeschraubt. Damit stand der Hebezylinder auf dem Pfahl fest mit dem Boden verbunden. Über diese Stahlplatte und die Stangen wurde dann die Bodenplatte schrittweise mit Hilfe der hydraulischen Hebezylinder angehoben. Zuerst nur ein paar Millimeter, um zu prüfen, wie sich das Ganze vom Untergrund ablöst, insgesamt waren es am ersten Tag zirka 25 Zentimeter. Bei dem Vorgang wurde die Schieflage von einem Vermessungsingenieur durch überwachtes manuelles Pumpen der Hydraulikzylinder ausgeglichen.

Das Projekt war auch für uns nicht alltäglich. Wir haben uns die Baustelle vor Ort angeschaut, da hing die Bodenplatte schon zirka 50 Zentimeter in der Luft.

Sven Hacker, Heidelberger Beton

Durch die Anhebung ist unter der Sohle ein Volumen von 48 Kubikmetern entstanden. Für eine langfristige und dauerhafte Lagesicherung des Gebäudes musste der Hohlraum nach der Anhebung zeitnah verfüllt werden, sodass eine flächige Lastenverteilung sowie der Ausschluss von Luft gewährleistet ist. Nun stand die Frage im Raum – was ist das geeignetste Material, um den Hohlraum zu verfüllen? „Nach eingehender Recherche und Rücksprache mit dem Statiker und dem Bodengutachter waren wir uns einig, dass Beton die Lösung ist und haben noch am selben Tag Kontakt zu Heidelberger Beton aufgenommen“, erinnert sich Andreas Edye. Nach Rücksprache mit dem Labor von Heidelberger Beton stand fest, dass der sehr fließfähige Easycrete, versehen mit Quellmittel, die optimale Lösung für dieses Vorhaben ist. Schnell kam die Bestätigung, dass das Material direkt verfügbar ist und in Abstimmung mit der Logistik am nächsten Tag verfüllt werden kann.

Der Vorgang funktioniert praktisch wie das Wagenheber-Prinzip. An zwei Tagen haben wir mit dieser Technik das Haus um rund 50 Zentimeter angehoben – das war eine logistische Meisterleistung!

Architekt Andreas Edye

Der Easycrete SF erreichte mit einem C25/30, F6, die gewünschte Druckfestigkeit. Die Quellmittel wurden auf der Baustelle mit dem Easycrete vermischt und wirken gegen das Schwinden des Betons. Der Beton konnte sich so kraftschlüssig unter der bestehenden Bodenplatte verteilen, denn diese muss direkt auf der neuen Betonschicht aufliegen, sodass das Haus wie auf einem Betonkissen ruht.

„Das Bauunternehmen benötigte für die Schalung einen Tag, da diese sehr dicht sein musste, um den besonders fließfähigen Beton zu halten. Die 50 Kubikmeter Beton wurden in insgesamt sechs Stunden eingebracht und es hat alles wunderbar funktioniert“, resümiert Sven Hacker.

Die Rettung des denkmalgeschützten Wohnhauses war ein voller Erfolg. Alle Türen und Fenster haben sich so gut wie nicht verzogen. Ein paar Risse im Mauerwerk sind durch die Anhebung entstanden und werden nachträglich mit einer denkmalgerechten Sanierung durch eine Spezialfirma wiederhergestellt. Nach der aufwendigen Operation konnte mit der Sanierung im Innen- und Außenbereich begonnen werden. Auch die gesamte Haustechnik wird erneuert. Aber all das ist im Vergleich zum Kraftakt der Anhebung eines kompletten Hauses eine ganz normale Sanierung und Modernisierung einer historischen Villa.

Objektsteckbrief

Projekt: Villa in Othmarschen, Hamburg

Architekten: Andreas Edye Architekten, Hamburg

Pfahlbauunternehmen: König GmbH, Stade

Beton: 50 m3 Easycrete SF C 25/30, F6

Lieferwerk: Heidelberger Beton GmbH, Region Nord-West, Hamburg

Fertigstellung: 2022

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