Am Rand der Altstadt mit Blickbezügen in die Flusslandschaft des nahen Regen, liegt die Stadthalle Cham. Lamott.Lamott Architekten aus Stuttgart haben den Veranstaltungsort aus der terrassierten Topographie heraus entwickelt und ein höhengestaffeltes Ensemble aus Gebäude, Park und Vorplatz geschaffen, der im Höhenniveau leicht angehoben in angemessener Distanz zur stark befahrenen Further Straße liegt.
Lange Vorüberlegungen seitens der Stadt hatten 2013 zu einem Wettbewerb geführt, aus dem das Büro Lamott.Lamott Architekten siegreich hervorgegangen ist. Die Planer integrierten das anspruchsvolle Raumprogramm in zwei unterschiedlich hohe Baukörper, setzten so das Konzept der terrassierten Landschaft fort und konnten mit der aufgeteilten Baumasse verträgliche Volumina für den kleinteilig geprägten Chamer Stadtraum gestalten. Der Vorplatz orientiert sich in Richtung Altstadt und wird von Fassaden flankiert, die auf Fußgängerhöhe komplett verglast sind, so dass fließende Innen- und Außenraumbezüge entstehen. Das große Garagenvolumen liegt hinter der Stadthalle unauffällig ins Gelände eingebettet. Es ist mit einem Gründach bedeckt und verbindet Stadthalle und überdachte Parkfläche barrierefrei.
Sichtbeton mit CEM II an Wand und Decken
Der Rohbau, die Sichtbetonflächen an Wand und Decken wurden in Großflächenschalungen hergestellt. Hierbei kamen Betone der Festigkeitsklassen 25/30 und 30/37 zum Einsatz. Das Regensburger Bauunternehmen Ferdinand Tausendpfund erhielt den Transportbeton von den in Cham ansässigen Baustofflieferanten Zitzmann und Schierer, die beide die Zementsorten CEM II A-LL 32,5 R und CEM II A-LL 42,5 R aus dem Werk Burglengenfeld verarbeiteten. Beide erhielten den Zement für die Betonproduktion vom HeidelbergCement Werk Burglengenfeld. Unter Aufsicht von Bauleiter Max Simml von Tausendpfund wurde der Beton je nach Bauteil mittels Kran oder per Betonpumpe eingebracht. Verdichtet wurde von Hand mit einem Innenrüttler. „Bei der Ausführung des Sichtbetons mussten wir das vom Architekten vorgegebene Fugenraster beachten. Eigentlich unüblich war, dass wir die Ankerlöcher mit runden Aluminium Abdeckplatten verschlossen, die wir eigens haben herstellen lassen. Das sieht jetzt sehr gut aus“, erinnert sich Bauleiter Simml. Das gesamte Projekt wurde in enger Zusammenarbeit aller Beteiligten mit dem Bauamt der Stadt Cham durchgeführt. Es überrascht also nicht, dass die Stadthalle bei den Bürgern gut ankommt.
Schon von außen fällt die klare vertikale Gliederung der Gebäudeansicht mit unterschiedlichen Materialien ins Auge. Auf die durchgängig gleich hohe, massive Sockelzone aus Beton und die verglaste Pfosten-Riegel-Konstruktion folgt eine changierende Metallstabfassade aus eloxierten Aluminiumstäben, die über der Basis zu schweben scheint.
Es galt, vor den Toren der historischen Stadt, einen angemessenen, neuen kulturellen Ort zu schaffen
Architekt Ansgar Lamott
Holz im Kontrast zum Sichtbeton
„Holz und Beton sorgen für eine zeitlos moderne Architektursprache und spielen mit dem Thema des Rohen und des Feinen“, erläutert Architekt Ansgar Lamott das Konzept. Dabei nimmt das Holz der Weißtanne, das in Kontrast zum Sichtbeton steht, bewusst Bezüge zur regionalen Holzarchitektur. Der Materialwechsel, der sich an der Fassade als deutliche Zäsur abzeichnet, setzt sich auch im Innern fort. So nimmt im Saal eine Holzstabfassade das Motiv der äußeren Metallstabfassade auf. Außerdem ist im gesamten Innenraum der konsequente Wechsel von Holz aus Weißtanne und Sichtbeton gesetzt.
Täglich um 12.05 Uhr ertönt im Rathausfirst von Cham das Glockenspiel mit der Marseillaise. Die französische Nationalhymne ist einem Sohn der Stadt, Johann Nikolaus Graf Luckner, gewidmet. Als Söldner wurde dieser in Frankreich während der Französischen Revolution zum Maréchal ernannt. Diese höchste militärische Auszeichnung der Grande Nation bewahrte den bürgerlichen Gastwirtssohn jedoch nicht davor, unter der Guillotine zu landen.
Mit dem Bau ihrer modernen Stadthalle haben die Verantwortlichen in Cham eine alte Festhalle ersetzt, die den Bedürfnissen der Bürger längst nicht mehr entsprach. Seit den 1920er Jahren hatte sich an diesem Standort eine Turnhalle befunden, die in der Nachkriegszeit zum Festsaal ausgebaut worden war. Bereits Anfang der 2000er Jahre war der Gedanke, etwas Neues zu bauen, in der Stadt präsent. „Früher war Cham ein Armenhaus,“ sagt Projektleiter Christian Müller vom Bauamt der Kreisstadt und beschreibt gleichzeitig den bemerkenswerten Wandel, den seine Stadt in den vergangenen Jahrzehnten vollzogen hat. Denn den Neubau der Stadthalle konnte Cham aus eigener Kraft, ohne Fördermittel, finanzieren.
Der Fall der Mauer hat Cham mitten ins Herz Eurpas katapultiert
Schon nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich die Einwohnerzahl der Kreisstadt im ostbayerischen Grenzland von 5.800 auf rund 10.000 nahezu verdoppelt und die Stadt hat diesen Bevölkerungszuwachs kontinuierlich als Chance genutzt. Dass Cham heute so prosperiert, hat auch mit dem Fall des Eisernen Vorhangs zu tun, der Stadt und Region als Tor zum Bayerischen Wald und zum Böhmerwald mitten ins Herz Europas katapultiert hat. Tatsächlich ist Cham heute Handels-, Schul-, Behörden- und Garnisonsstadt mit rund 17.000 Einwohnern und einer Arbeitslosenquote von lediglich 1,8 Prozent. Rund 600 Betriebe sind hier ansässig, die Zahl der gemeldeten Arbeitsstellen hat im Juni 2019 die Zahl der Arbeitslosen überschritten.
Wer möchte, kann heute in Cham in einem adäquaten Ambiente tagen und feiern. Das Raumprogramm der Stadthalle erfüllt alle Anforderungen und besteht aus drei Hauptfunktionsbereichen: dem Saal, inklusive Empfang, Foyer, Verwaltung; den Räumen für Künstler und Catering; sowie einem Restaurant und dem Tagungsbereich. Der mit 680 Quadratmetern Gesamtfläche teilbare Saal bietet mit Reihensitzen bis zu 800 Personen Platz. Die Akustik, erzielt durch eine spezielle Wandbekleidung aus einer Lamellenkonstruktion in Weißtanne, eignet sich auch für Konzerte oder für Vorführungen in der Guckkastenbühne, die wie im klassischen Theater angeordnet ist. Auch das Foyer kann als separater Veranstaltungsbereich für Feiern, Ausstellungen oder Messen genutzt werden und lässt sich zum Vorplatz hin öffnen. Außerdem gibt es bis zu drei weitere Tagungsräume mit modernster Konferenztechnik, die das räumliche Angebot der Stadthalle komplettieren. Inzwischen deutet der prall gefüllte Veranstaltungskalender mit unterschiedlichen Programmen auf die breite Akzeptanz des zeitgemäßen Neubaus hin.
Text: Susanne Ehrlinger
Im Gespräch mit Ansgar Lamott
Welche Entwurfsidee steckt hinter ihrem Projekt in Cham?
Es ging uns darum, einen einprägsamen Ort an der Peripherie der Stadt und gleichzeitig ein attraktives Ensemble aus Gebäude und Freianlagen zu schaffen.
Welche Implikationen waren am Rande der historischen Altstadt zu berücksichtigen?
Unsere Intention war immer, die wahrnehmbare Baumasse an der Maßstäblichkeit der unmittelbaren Nachbarschaft zu orientieren.
Welchen Unterschied macht es für Sie in Metropolen, Mittelstädten oder in der Provinz zu bauen?
Unsere Architektur reagiert immer auf den spezifischen Ort. Hierbei spielen die Interpretation des Kontexts in Material und Dimension eine wichtige Rolle. Ziel ist es immer, eine identifizierbare, authentische und individuelle Architektur zu realisieren.
context dankt für die Ausführungen
Objektsteckbrief
Projekt:
Stadthalle Cham
Bauherr:
Stadt Cham
Architekten:
Lamott.Lamott Architekten, Stuttgart
Bauunternehmen:
Ferdinand Tausendpfund GmbH & Co. KG, Regensburg
Beton:
7.000 m3
Sichtbeton:
1.000 m3 in SB 4 ausgeführt Festigkeitsklassen C 25/30 und C30/37
Zement:
CEM II A-LL 32,5 R und CEM II A-LL 42,5 R HeidelbergCement AG, Werk Burglengenfeld
Baustofflieferanten:
Max Schierer GmbH, Cham; Zitzmann Baustoffe-Betonwerk GmbH, Cham
Prüfung & Überwachung:
Betotech GmbH Nabburg
Leistungen: ÜK 2, Beratung Sichtbeton SB 3
Energiestandard:
ENEV 2014 50% unterschritten