Städte verändern sich und mit ihnen oftmals auch ihr Charakter. Inmitten von Gründerzeitbauten ist nun in München ein komplexer Wohnungsbau von Thomas Kröger Architekten entstanden. Dieser überzeuge, wie der Projektentwickler Euroboden bei der Beschreibung in seinem Portfolio verlautet, mit einer „Kombination aus konsequenter Modernität und Einbettung in die Münchner Bautradition“. Das inhabergeführte Unternehmen hat es sich zur Aufgabe gemacht, im intensiven und offenen Austausch mit kühnen Architekten wie Arno Brandlhuber, Peter Haimerl, Jürgen Mayer H, Raumstation und David Chipperfield, Architekturkultur zu schaffen.
Weißzement von Italcementi halte ich für den besten, der in Europa verfügbar ist. So sind die Betonfertigteile aus unserem Beton weiß wie ein Blatt Papier geworden.
Andreas Traxler, Geschäftsführer MAXX raumelemente
Es gilt, Bauwerke zu realisieren, die im engen Bezug zu ihrem direkten Umfeld stehen, so „dass sie auch langfristig geschätzt und geliebt werden und damit zu einer nachhaltigen Entwicklung der Stadt beitragen.“ Demzufolge fügt sich auch das Ensemble in der Erhardtstraße in München mit seinem repräsentativen Vorderhaus zur Isar und mit weiteren Trakten in den gewachsenen Bestand umliegender Bauten ein. Zur innerstädtischen Nachverdichtung tragen im Blockinneren ein Turm und ein eigenständiges Stadthaus bei, die um eine einladende Rotunde angeordnet sind. Die rückseitig gelegene, fünfgeschossige Remise umfasst einen ruhigen Hofgarten. Das straßenseitige „Haus zur Isar“ bietet wiederum in seinen Etagenwohnungen und im großzügigen Penthouse einen weitläufigen Blick über den Fluss.
Allen Bauten des Ensembles ist eine Fassadenkomposition gemein, die raffiniert mit bodentiefen Ein luxuriöser Wohnungsbau präsentiert sich in einer Münchner Prachtstraße ebenbürtig zu den benachbarten denkmalgeschützten Bauten. Neben der grafisch gemusterten Putzfassade prägen den Bau vor allem die weißen, passgenau für das Bauwerk aus Architekturbeton gefertigten Stützen, für deren Produktion italienischer Weißzement genutzt wurde. 25 Produkte & Projekte Fenstern, Balkonen und Säulen sowie mit zweifarbig gezackten Wandflächen spielt. Letztere ergeben sich durch eine besondere Behandlung der Putzschichten und sind angelehnt an die italienische Sgraffito-Wandgestaltung der Renaissance, wie sie von Baumeistern der damaligen Zeit nach Österreich und Süddeutschland, vor allem Bayern, gebracht wurde. Jüngst ist diese Technik an einem Münchner Geschäftshaus von den Architekten Hild und K ebenfalls wiederbelebt worden. Neben den gezackten Flächen dominiert im Innenhof glatter Graubeton an Unterzügen und Balkondecken das Erscheinungsbild der Gebäude. Zur Erhardtstraße hin prägen dunkle Gesimsbänder aus gesäuertem Sichtbeton im kontrastreichen Zusammenspiel mit weißen Sichtbetonstützen die stilistische Eigenheit der Fassade. Die Eckelemente der horizontalen Bänder wurden in einem Guss hergestellt. Alle Komponenten zusammen ergeben am Projekt „Erhardt 10“ ein dynamisches, elegantes, weißgrau anmutendes Fassadenbild, das sich stimmig zu den vielschichtigen Stuckelementen der benachbarten Wohnbauten fügt und eine moderne Antwort auf deren historisches Dekor ist.
Ausblick
Aufgrund der weitreichenden Möglichkeiten der digitalen Planung wagen Architekten immer komplexere Betonbauten mit außergewöhnlichen Kubaturen. In gleichem Maße werden die Anforderungen an den Schalungsbau immer differenzierter. So fördert die Digitalisierung komplexe Betonbauten mit außergewöhnlicher, nicht geradwinkliger Gestalt und stellt damit immer höhere Ansprüche an den Schalungsbau. Während sich Schalungsspezialistinnen und -spezialisten auf den Bau immer komplizierterer Schalungen einstellen, schreitet etwa der Betondruck als Alternative für geometrisch anspruchsvollen Formenbau voran. Am Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK) der Universität Stuttgart wird derzeit im Rahmen eines Forschungsprojekts an einem ganz anderen Ansatz gearbeitet. Um Schalungen künftig komplett wiederverwertbar und damit abfallreduziert herstellen zu können, werden Elemente entwickelt, die aus einem Gemisch aus Wasser, Sand und Maisstärke bestehen, das wieder gelöst werden kann und sich somit erneut dem Produktionsprozess zuführen lässt. Noch sind solche Entwicklungen im Forschungsstadium.
Der Spezialist Andreas Traxler und sein Team können sich inzwischen auf die nächsten spannenden Projekte freuen, die komplexen Schalungsbau erfordern. Am Horizont winken grüner Architekturbeton für ein Projekt in München oder sieben Stockwerke mit ausgefallenen Strukturen in Karlsruhe.
Für die Planung, Umsetzung und Fertigung der geometrisch anspruchsvollen Sichtbetonelemente, die nicht nur ästhetische, sondern auch konstruktive Aufgaben erfüllen, zeichnet das Team von MAXX raumelemente verantwortlich. Für Geschäftsführer Andreas Traxler kann ein Betonelement nicht komplex genug sein – so war das ambitionierte Wohnungsbauprojekt in der Isarvorstadt wie gemacht für sein Unternehmen. „Das Münchner Projekt war eine enorme Herausforderung, da fast nur unterschiedliche Betonbauteile mit individuellen Maßen und Anforderungen geplant waren.“ Zunächst übertrugen die Mitarbeitenden die Vorstellungen des Architekturbüros in eine komplett dreidimensionale Werkplanung und überprüften so den Entwurf auf konkrete Machbarkeit. Im hauseigenen Formenbau und mit einem gemischten Team aus 35 Schreinern, Keramikmeistern und Schalungsbauern fertigten sie mittels CNC-Maschinen und 3D-Drucktechnik hybride Schalungen. Projekte wie das „Haus zur Isar“ stellen besonders hohe Anforderungen an den Schalungsbau und auch an die Betongüte. „Wir haben durch unsere langjährige Erfahrung Möglichkeiten gefunden, dreidimensionale Formen so zu bauen, dass sie formstabil sowie komplett dicht sind und keine Grate aufweisen. Mit viel Know-how haben wir – teils durchgefärbte – Betonrezepturen für stehende Elemente bis zu sechs Metern Höhe und einer Wandstärke von drei Zentimetern entwickelt“, erläutert Betonspezialist Andreas Traxler, der selbst Architekt ist und auch eine Qualifikation als Tischler hat. Erst das präzise Zusammenspiel zwischen Beton und Schalung bewirke, so Traxler, dass ein Architekturbetonelement nicht aussehe wie ein Standardbetonteil.
Dass in München die weißen Betonstützen so weiß wie ein Blatt Papier sind, liegt an der Fertigung des selbstverdichtenden Betons mit einem Weißzement von Italcementi, einer Tochtergesellschaft von HeidelbergCement. Andreas Traxler hält das verwendete Produkt für das Beste, das in Europa verfügbar ist. Während andere Betone die Helligkeit nur annähern, ist dieser, auch durch spezielle Körnungen, total weiß. Wie unlängst für die Konzernzentrale von HeidelbergCement fertigte sein Unternehmen aus diesem Spezialbeton für die Hauptfassade des Euroboden-Projekts brillante Betonfertigteile. So wurden hier runde, im Durchmesser 13 Zentimeter schlanke Säulen hergestellt und nicht sichtbar montiert. In spezieller Anordnung erfüllen sie zwischen Fensteröffnungen und Wandflächen eine gestalterische Funktion. Sie stehen auf den dunklen, horizontalen Bändern, die im Baufortschritt geschossweise angeliefert und mit Isokörben an den Bodenplatten des Rohbaus befestigt wurden. Etliche der bis zu vier Meter hohen Spezialfertigteile sind mit Edelstahl bewehrt. Besonderen Einsatz erforderten die amorphen, glatt geschalten Stützen im gesamten Eingangsbereich. Auch hier handelt es sich um äußerst anspruchsvolle Betonelemente, da die Säulen geometrisch komplex geformt sind. Die massiven, rund vier Meter hohen Stützen wurden in einem Stück stehend betoniert. Unter dem ausladenden Erker spalten sich die Säulen jeweils auf vier Metern Höhe in zierlich anmutende V-förmige Aststützen auf, zusätzlich noch in einer weiteren Dimension gekrümmt – angesichts von vier Tonnen Eigengewicht der Unterteile und der waghalsigen Geometrie der oberen Hälfte – eine besondere Herausforderung an Formenbau und Fertigung. Um die besonderen konstruktiven Vorgaben und Anforderungen an die präzise Oberfläche dieser Architekturbetonelemente zu erfüllen, entwickelte man eigens ein Hybrid aus konventioneller Schalung und Eigenbau.
Auch die grauen Fertigteile aus Architekturbeton, die das Gesicht der Fassaden um die Innenhöfe prägen, erforderten Präzision und Know-how. Fast jedes Teil ist hier ein Unikat und etwa mit Aufkantungen oder horizontalen Lippen versehen; zudem wurden verschiedene Arten der Entwässerung oder des integrierten Gefälles verwirklicht, und auch die verdeckten Anschlüsse für die Stützen unterscheiden sich. Selbst die glatt geschalten Balkonbodenplatten erforderten eine besondere Qualität beim Schalungsbau, da für ihre Untersicht die höchste Sichtbetonqualität gefordert war. Sie wurden folglich in einer Art zweiseitiger Positiv-Schalung gegossen, sprich unterseitig glatt in SB4 und oberseitig mit einem komplexen Deckel für Gefälle, Rinnen und Aufkantungen. Wo hier der Beton eingefüllt wird, ist manchmal nur schwer zu erahnen. Eine Leistung, die fast kein anderer Fertigteilhersteller anbietet. Als weitere Herausforderung kam auch die Baustellenlogistik hinzu. Da alle Einzelteile just in time angeliefert werden mussten, wurde bei MAXX raumelemente vorausschauend vorproduziert.
Bereits bei der Konzernzentrale von HeidelbergCement sind uns weiße Architekturbetonelemente in höchster Brillanz gelungen.
Andreas Traxler, Geschäftsführer MAXX raumelemente
Zudem sollten die Sichtbetonelemente bereits in der Rohbauphase vor Oberflächenschäden bewahrt werden. Daher wurden sie noch im Werk mit einer speziellen Hydrophobierung versehen, die auch vor Graffiti schützt.
Nach seiner Fertigstellung fügt sich das bemerkenswerte Projekt wie selbstverständlich in die anrainende Wohnbebauung ein. Entstanden ist ein markantes, zeitloses Ensemble, das dem starken Ausdruck und Charakter seiner historischen Nachbarn in nichts nachsteht.
Susanne Ehrlinger
Objektsteckbrief
Projekt: Wohnungsbau, München-Isarvorstadt
Bauherr: Euroboden GmbH, Grünwald
Architekt: Thomas Kröger Architekten GmbH, Berlin
Bauunternehmen: Baugesellschaft Rank GmbH, München
Betonfertigteile: MAXX raumelemente, Abenberg-Wassermungenau
Zement: 30 t Weißzement von Italcementi, Tochtergesellschaft von HeidelbergCement
Gesamtwohnfläche: 3.000 m2
Wohneinheiten: 28