„Sein Heidelberg“ ist für ihn das zentrale Element. Deswegen ist es selbstverständlich mit Firmen vor Ort zusammenzuarbeiten, auch mit Heidelberg Materials. Das DAX-Unternehmen ist für den Kurpfälzer schon immer präsent gewesen und emotional aufgeladen. „Heidelberg Materials, Heidelberger Zement oder Portlandzement gehören zu meinem Leben.“ Die Mutter Inge absolvierte ihre Ausbildung beim Baustoffunternehmen und der Vater Kurt Kraus war als Immobilienmakler im engen Kontakt mit dem damaligen Vorstand Peter Schumacher. Hans-Jörg Kraus hat noch heute die erste berufliche Begegnung in den 1980er-Jahren mit Heidelberger Zement genau vor Augen: Bereits als Teenager steckte ein Geschäftsmann in ihm. Der Jungunternehmer verkaufte Streichhölzer und kontaktierte alle Firmen in Heidelberg. Und tatsächlich kam daraufhin eine Einladung aus dem Vorstandsbüro des Baustoffkonzerns. Statt über das Geschäft zu reden, stellte ihm Peter Schumacher jedoch eine andere Frage als erstes: „Zu welchem Kraus gehören Sie?“ Heidelberg ist eben überschaubar und man kennt sich.
Immobilien statt Streichhölzer
Die Streichhölzer werden schnell gegen Immobilien eingetauscht. Bereits als Kind arbeitet er im 1965 gegründeten Immobilienmaklerbetrieb der Familie mit. 1992 wird daraus mehr. Hans-Jörg Kraus steigt mit dem BWL-Studium in der Tasche als Geschäftsführer ein. In drei Jahrzehnten hat der Eigentümer in zweiter Generation dem Betrieb seinen Stempel aufgedrückt: Aus dem Maklerbüro wird ein breit aufgestelltes Immobilienunternehmen. Die Firmengruppe baut Wohn- sowie Gewerbeimmobilien, entwickelt Projekte und kauft neben Immobilien auch Grundstücke. Wie in den Anfangsjahren gehören ebenfalls die klassischen Maklertätigkeiten – vermieten und verkaufen – zu den angebotenen Leistungen. „Das Fundament hat mein Vater gelegt. Das war so fest, dass ich darauf aufbauen konnte“, unterstreicht der Heidelberger Unternehmer die Bedeutung für die heutige Unternehmensgruppe.
Das Fundament hat mein Vater gelegt. Das war so fest, dass ich darauf aufbauen konnte.
Hans-Jörg Kraus
Als Bauträger und Projektentwickler ist es logisch, dass sich die Wege zwischen Kraus und Heidelberg Materials kreuzen, denn „ohne Beton geht es nicht“, auch auf den eigenen Baustellen. Beton wird dabei nicht nur für seine Neubauten benötigt, sondern auch in Bestandsbauten eingesetzt, wie dem im Jugendstil und Klassizismus errichteten Alten Hallenbad. Das denkmalgeschützte Gebäude wurde vor ca. zehn Jahren aufwendig saniert und beherbergt unter anderem das Körperwelten Museum, ein Hotel, Restaurants und ein Café. Auf mittlerweile 160.000 Quadratmeter summieren sich allein die Objekte, die Kraus selbst oder mit seinen Firmen im eigenen Bestand hält. „Die größeren Objekte, die wir vor 20 Jahren gekauft, saniert oder neugebaut haben, sind abbezahlt. Wenn man im Bestand arbeitet, sieht man die Rendite nicht im ersten, fünften oder zehnten Jahr, aber hinten heraus. Diese Vorgehensweise ist unsere Stärke,“ verdeutlicht Kraus.
„Wollen Sie Spaß haben?“
Eine Stärke ist für ihn sein Team. Der Kopf des Unternehmens versteht darunter nicht nur Mitarbeitende, die für die KRAUSGRUPPE arbeiten. „Ich sehe zuerst Menschen, die ihr Leben mit dem Unternehmen teilen“, unterstreicht der erfahrene Geschäftsführer den Stellenwert. Deswegen soll es den Mitarbeitenden gut gehen: Unter anderem gibt es einen Yoga-Kurs, ein Bistro und auch das Feiern und Miteinander kommt nie zu kurz, auch schon als sein Vater am Ruder stand. Um herauszufinden, ob Neue ins Teamgefüge passen, stellt er immer dieselben zwei Fragen: „Wollen Sie bei uns Spaß haben und ziehen Sie es in Betracht, bei uns in Rente zu gehen?“
Hans-Jörg Kraus denkt langfristig, erkennbar an der Leitlinie „ich lebe in der Zukunft“. Der Bauchmensch lässt sich zwar von spontanen Ideen leiten, gleichzeitig kommt die Strategie nie zu kurz. Eine Nachfolgeregelung hat er parat, inklusive Verträge, Vollmachten und seiner Vorstellung, wie die Zukunft des Unternehmens aussehen soll – auch wenn ihm die Größe der Fußstapfen bewusst ist. „Wenn ich mal nicht mehr da bin – geistig, körperlich, vom Willen – dann wird die Firmengruppe weiterbestehen“, betont der Unternehmer. Das „daily business“ ist mittlerweile auf viele Schultern verteilt. Die Ideen bringt der Visionär nach wie vor ins Unternehmen, die Detailarbeit übernehmen andere. Festgefahren ist er bei der Vorgehensweise nicht. Für ihn ist klar, was 30 Jahre lang richtig war, kann in drei Jahren den Ruin bedeuten. „Das Leben hat nur eine Richtung – nach vorne“, steht für den Immobilienprofi fest. Gehören Fehler dazu? Zweifelsohne, durch sie lernt man dazu.
Bauchgefühl vor den Verträgen
Gebäude einfach zu bauen, um Geld zu verdienen, ist dem vierfachen Familienvater zu langweilig. Das Konzept muss stimmen, wie beispielsweise ein aufwendiger Holz-Lehm-Bau für einen Bio-Supermarkt. „Ich bin ein Bauchmensch und schaue hinterher, ob es sich rechnet. Wenn ich erst seitenweise Verträge lesen muss, verliere ich den Spaß, etwas zu bewegen“, beschreibt er sich selbst.
Kraus lässt sich nicht von neuen Themen abschrecken, ganz im Gegenteil – „learning by doing“ treibt ihn an. Seiner Meinung nach brauche der Mensch Veränderung. Dem eigenen Verlangen nach Neuem geht er beruflich nach. Als zur Jahrtausendwende das Thema Nullemissionshaus aufkommt, baut er das erste in Heidelberg, unter anderem mit Photovoltaik, Geothermie sowie 24 Zentimeter Dämmung – und lange bevor es en vogue wird.
„Hier kommen die zwei Heidelberger zusammen“
2020 liest er einen Bericht über das erste 3D-gedruckte Wohnhaus in Deutschland. Nach den ersten drei Absätzen steht fest: Der Immobilienunternehmer möchte die Technologie in „seinem Heidelberg“ einsetzen. Das passende Projekt ist auch schon im Kopf: Ein Rechenzentrum für Heidelberger iT, getauft auf den Namen „Serverhotel“. Die Idee ist klar. Ein Monolith, der im 3D-Druck neue Maßstäbe setzen soll: 54 Meter lang, 11 Meter tief und 9 Meter hoch. Aus heutiger Sicht ist die Entscheidung ein „typischer Kraus“ gewesen, auch weil „hier die zwei Heidelberger zusammengekommen sind.” Diese Lust aufs Neue ist nach wie vor da, denn „es ist kein Mut, es ist ein Drang“ für ihn. Drei Jahre später steht das Gebäude auf der Konversionsfläche Campbell in Heidelberg – ein Quartier, das vollständig durch die KRAUSGRUPPE entwickelt wird. Zur Fertigstellung ist das Serverhotel Europas größtes 3D-gedrucktes Gebäude, inklusive einer hohen medialen Aufmerksamkeit – selbst die Tagesschau hat berichtet. „Auf Baustellen hat man oft Diskussionen. Beim Serverhotel gab es diese nicht, weil wir nur Lösungen gesucht haben“, fällt das Fazit des Bauherrn aus. Bleibt der Einsatz der Technik für ihn ein einmaliger Ausflug? Ganz im Gegenteil. Der Bau hat ihm Spaß gemacht und in seinem Kopf entsteht bereits das nächste Projekt – und auch das ist bestimmt wieder mit dem Fahrrad erreichbar.
Über die KRAUSGRUPPE
1965 als klassischer Immobilienmakler gestartet, ist die KRAUSGRUPPE mittlerweile auch als Projektentwickler, Bauträger, Investor und im Bereich Immobilienmanagement tätig. Das alteingesessene Heidelberger Immobilienunternehmen entwickelt momentan die Konversionsfläche Campbell, das ehemalige Hauptquartier der US-Streitkräfte in Europa. Auf 43,4 Hektar entsteht ein neues Quartier in Heidelberg, inklusive des 3D-gedruckten Serverhotels.
André Postel, Conny Eck