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Erste deutsche Eisenbahnbrücke aus ultrahochfestem Beton // Ausgabe 4/2018

Unsichtbare Stärke

Am Tegernsee ist Deutschlands erste Eisenbahnbrücke aus ultrahochfestem Beton in Betrieb genommen worden. Im Vergleich zu einer konventionellen Lösung hat diese eine deutlich geringere Konstruktionshöhe. Beim Bau des innovativen Fertigteils kam das UHPC-Compound „Effix PLUS“ von HeidelbergCement zum Einsatz.

Tunnel & Brücken

Wissenschaft und Wirtschaft suchen immer wieder, oft auch gemeinsam, nach alternativen Lösungen für anstehende Aufgaben. Auf dem Streckennetz der Tegernsee-Bahn in Oberbayern stand der Ersatz einer Brücke aus dem Jahr 1882 an. Zielvorgabe war ein schlankes und leichtes Bauwerk, das einen möglichst einfachen Bauablauf, kurze Sperrzeiten der Bahntrasse und einen größeren Durchflussquerschnitt für den regelmäßig Hochwasser führenden Dürnbach ermöglichen sollte.

Verschiedene Akteure mussten zusammenkommen, damit der Bauherr, die Tegernsee-Bahn, das bundesweit bedeutsame Pilotprojekt in Auftrag geben konnte. Durch Kontakte zur Technischen Universität München (TUM), insbesondere zu Prof. Oliver Fischer vom Lehrstuhl für Massivbau, hatte der Bauherr von einem Beton mit hoher Lebensdauer erfahren, der enorm widerstandsfähig sei und eine sehr schlanke Bauweise ermögliche.

Im Unterschied zur konventionellen Stahlbetonbauweise, die einen kompletten Neubau der Brücke erforderlich gemacht hätte, gelang durch den Einsatz von ultrahochfestem faserbewehrtem Beton (UHPFRC) die Erneuerung und der Aufbau der Brücke durch ein vergleichsweise leichtes Gesamtfertigteil binnen weniger Tage. Aufgrund des geringen Eigengewichts von weniger als 22 Tonnen ermöglichte dieses Bauteil, das im Fertigteilwerk von Max Bögl als trogförmige vorgespannte Platte produziert wurde, die Nutzung der vorhandenen Unterbauten. Die Widerlager der alten Brücke konnten aufgrund des geringen Eigengewichts des neuen Brückenfertigteils beibehalten werden. Außerdem brachte die Konstruktionshöhe von nur 20 Zentimetern auch den geforderten erhöhten Lichtraum unter der Brücke und es konnte auf einen sonst üblichen Schutzbeton sowie eine Abdichtung unter dem Schotter verzichtet werden.

Die Lösung für die kleine, aber komplexe und zukunftsweisende Bauaufgabe konzipierte der Lehrstuhl Massivbau der TUM zusammen mit dem Ingenieurbüro Büchting + Streit aus München. In ihrer Hand lag die Entwurfsplanung, die gutachterliche Stellungnahme zur Erwirkung der erforderlichen Zustimmung im Einzelfall sowie die bautechnische Prüfung. „Das betontechnologische Konzept hat ­HeidelbergCement bereitgestellt“, erläutert Lisa Wachter, Projektingenieurin in der Abteilung Engineering & Innovation bei HeidelbergCement in Leimen. „Es war eine glückliche Fügung, dass wir gerade die Markteinführung unseres UHPC planten, einem ultra high performance concrete, der sich für die speziellen Anforderung der Planer hervorragend eignete. Wir haben ausgehend vom unserem Compound die Rezeptur für den selbstverdichtenden Grobkornbeton der Festigkeitsklasse C150/155 entwickelt und ihn vor Ort im Fertigteilwerk eingestellt.“ Das pulverförmige ­UHPC-Compound Effix PLUS aus hochwertigem Zement, Zusatzstoffen, Gesteinsmehlen und Sanden mit sehr fein abgestimmter Sieblinie wurde im Doppelwellenmischer mit Fließmittel, viel weniger Wasser als für „normalen“ Beton üblich, Basalt und Mikrostahlfasern gemischt. Mit der Ausführung des vorgespannten Fertigteils beauftragt worden war das Unternehmen Max Bögl, das langjährige Erfahrung im Umgang mit Spezialbetonen hat. In deren Mischanlage wurden jeweils vier Mischungen in einem Fahrmischer zusammengeführt, um das Bauteil nahezu ohne Unterbrechung stetig zu betonieren.

Zwei Fahrzeuge mit jeweils fünf Kubikmetern des Spezialbetons waren bei der Fertigung exakt getaktet. Inklusive Einbringen der Stahlfasern betrug die Mischzeit mit dem UHPC-Compound von ­HeidelbergCement deutlich weniger als fünf Minuten. Innerhalb von 90 Minuten musste der Beton mit den selbstverdichtenden Eigenschaften dann im Werk verarbeitet werden. Vor Ort ist das knapp 22 Tonnen schwere Fertigteil schließlich mit einem Kran vom Bauunternehmen PORR auf die vorhandenen Auflager über den Dürnbach gesetzt worden.

Technische Universität München (TUM)

An der Technischen Universität München beschäftigt sich Professor Fischer zusammen mit seinem Team vom Lehrstuhl für Massivbau schon lange mit der Grundlagenforschung zu ultrahochfestem Beton, der laut Experten als eine der weltweit wichtigsten Entwicklungen auf dem Gebiet der Betontechnologie und Betonanwendung gilt. In anderen Ländern wird UHPC bereits eingesetzt, oft mit Erkenntnissen, die in Deutschland gewonnen wurden. „Hier steckt die zukunftsträchtige Technologie noch in den Startlöchern, weil erst Schritt für Schritt geprüft werden muss und abgesicherte technische Regelwerke gefordert sind“, so Oliver Fischer. Beim Pilotprojekt erfolgt seitens der TUM auch eine messtechnische und wissenschaftliche Begleitung des Bahnbetriebs (einschließlich Probebelastung mit definierten Achslasten), um zusätzlich zu den Laborerfahrungen auch entsprechende Erkenntnisse im realen Betrieb zu erhalten.

Ultrahochfester faserbewehrter Beton

Völlig neue Möglichkeiten und Einsatzbereiche im Bauwesen eröffnet der ultrahochfeste faserbewehrte Beton, der laut Professor Oliver Fischer von der TU München „ein Meilenstein in der Entwicklung von Betonbaustoffen“ ist. Für die Überbauerneuerung einer Brücke über den Dürnbach wurde der Ultrahochleistungsbeton UHPC (ultra-high performance concrete), ein äußerst gefügedichter Beton, verwendet. Durch die optimierte Kornzusammensetzung lassen sich ein extrem dichtes Gefüge, sehr hohe Festigkeiten und exzellente Eigenschaften in Bezug auf die Dauerhaftigkeit erreichen. UHPC hat eine sehr hohe Druckfestigkeit, die in der Regel über 150 MPa liegt. Damit liegt die Festigkeit um etwa den Faktor drei bis fünf höher als bei einem derzeit beim Brückenbau verwendeten konventionellen Beton. Er zeichnet sich auch durch eine hohe chemische Beständigkeit und mechanische Beanspruchbarkeit aus. Durch die Zugabe von Mikrostahlfasern als Bewehrung ergeben sich sehr hohe (Nachriss-)Zugfestigkeiten und im Grenzzustand der Tragfähigkeit reagiert der faserbewehrte UHPC laut einem Bericht der TU München wesentlich duktiler.

Erste Richtlinie für Ultrahochfesten Beton

Die Regelungen zur Anwendung von UHPFRC für die Überbauerneuerung am Dürnbach, die von der TUM im Rahmen einer gutachterlichen Stellungnahme definiert wurden, lehnten sich insbesondere an den aktuellen Entwurf der neuen DAfStb Richtlinie „Ultrahochfester Beton“ an und wurden teilweise durch zusätzliche Anwendungsregeln auf Grundlage eigener Forschungsergebnisse und Laborerfahrungen des Lehrstuhls sowie internationaler Regelungen ergänzt. Mit der derzeit in Erarbeitung befindlichen Richtlinie des Deutschen Ausschuss für Stahlbeton (DAfStb) wird zukünftig eine fundierte Planungsgrundlage für die breitere Anwendung von ultrahochfestem Beton in der deutschen Baupraxis für künftige Anwendungen zur Verfügung stehen.
Weitere Informationen hier.

Über Max Bögl

Für den Bau des Pilotprojekts über den Dürnbach kamen nur wenige Spezialisten in Frage, die beim Fertigteilbau im Umgang mit Spezialbetonen ausreichend versiert sind. Das Unternehmen Max Bögl aus Sengenthal hatte mit ultrahochfestem Beton für Brückenteile in Österreich bereits Erfahrung sammeln können. Bei der Herstellung des vorgespannten Fertigteils mit einem Gesamtvolumen von mehr als 10 Kubikmetern im Fertigteilwerk von Max Bögl konnten alle Beteiligten weitere wichtige Erkenntnisse für die Anwendung des neuartigen Werkstoffs in der Baupraxis gewinnen. Für Jochen Hafner, Betontechnologe im Zentrallabor von Bögl, ist dieser Beton für bestimmte Bauteile „mit Sicherheit eine Alternative, wenn es um Vorteile wie schlanke Ausführung und Gewichtsreduktion geht“.
Weitere Informationen hier.

Leistungsfähiger Compound für UHPC

HeidelbergCement hat für den selbstverdichtenden Spezialbeton, der besonders leichte, schlanke und dabei sehr tragfähige Bauteile ermöglicht, ein spezielles Produkt entwickelt: Das Compound Effix PLUS, mit dem das Unternehmen kurz vor der Markteinführung steht, besteht aus hochwertigem Zement, Zusatzstoffen, Gesteinsmehlen und Sanden mit fein abgestimmter Sieblinie.

Text: Susanne Ehrlinger

Unsichtbare Stärke (podcast)

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