Zugegeben: Der Standort ist durchgängig erste und damit beste Lage. Vom weißen, feinsandigen Strand nur getrennt durch ein schattiges Kiefernwäldchen, lässt sich hier gut Urlaub an der Ostsee machen. Doch kann ein gigantischer Gebäudekomplex, der in einem Schwung fünf Kilometer entlang der Küstenlinie verläuft, etwas anderes werden als eine, wenn auch noble, Bettenburg? In Prora auf Rügen arbeiten die Protagonisten seit geraumer Zeit am Spagat zwischen dem Wunsch nach Transformation und Nutzung des historisch befrachteten Bauwerks aus der Nazi-Zeit bei gleichzeitiger Wahrung der Denkmalaspekte und der zeitgeschichtlichen Zuordnung. Der Geist, den diese monumentale Architektur ausstrahlt, ist keineswegs eindeutig und so scheiden sich bis heute die Meinungen jener, die hier unvoreingenommen in neuen, luxuriös umgebauten Ferienwohnungen die herrliche Ostsee genießen wollen und anderen, die die Absicht der tyrannischen Bauherren, den Menschen zu erniedrigen, unvergänglich in Stein gemeißelt sehen. Für den Architekten Daniel Libeskind etwa, der sich intensiv mit dem nationalsozialistischen Bauwerk nahe der Bäderstadt Binz beschäftigt hat, verkörpert das Gebäude das „gebaute Böse“. Investor Ulrich Busch, Sohn des DDR-Arbeiterliedersängers und Nazi-Verfolgten Ernst Busch, wollte dagegen durch Konversion und Sanierung einen „humanistischen Geist“ in der von ihm erworbenen Immobilie erwecken. 2006 kaufte er zwei der acht Blöcke für rund 455.000 Euro vom Bund, baute einen Teil davon zu Eigentumswohnungen aus und verkaufte andere an weitere Investoren, für die er nun dort als Projektentwickler agiert. Heute entspricht die damalige Kaufsumme dem Wert einer mittleren, sanierten Wohnung.
So ist nun, 80 Jahre nach der Grundsteinlegung, beides vorhanden. In Ruinen und unsanierten Blöcken ist der Nachhall der früheren Diktatur spürbar. Doch von Jahr zu Jahr immer deutlicher sichtbar rücken die renovierten Hotelanlagen und hochpreisigen Ferienwohnungen verschiedener Investoren und Architekten das Bild in einen anderen Kontext. Die Käufer großer Anteile oder einzelner, sanierter Wohnungseinheiten profitieren von der 60- bis 70-prozentigen Steuerabschreibung Denkmal AfA. Als eines der ersten Projekte wurde bereits 2011 eine eher unkommerzielle Jugendherberge mit über 400 Betten eingeweiht. Inzwischen sind fast zwei Drittel des gesamten Kolosses fertig oder im Umbau begriffen. Bis 2022 sollen 1.500 Appartements fertiggestellt sein. Hierfür sind die ehemals kleinen Zimmer zu großzügigen Wohnungen zusammengelegt und moderne Bäder eingebaut worden. Zugeständnis des Denkmalamtes, das die äußere Erscheinung prinzipiell bewahrt wissen will, an den zeitgemäßen Ferienbetrieb war, den historischen Bestand mit Balkonen zur Seeseite zu ergänzen. Architekt Hoppe aus Wuppertal hatte schon vor Jahren einen Wettbewerb mit einem Nutzungskonzept für Prora gewonnen, damals sei Argument für den Entwurf seines Büros gewesen, so erinnert er sich, dass auch geförderte Wohnungen – etwa für Angestellte des Tourismusbetriebs auf der Insel – integriert werden sollten. Dieser Gedanke ist längst vom Tisch und wird auch in den letzten, noch zu entwickelnden Gebäudeteilen nicht mehr zum Tragen kommen.
Exklusive und hochpreisige Wohneinheiten der gigantischen Ferienanlage brauchen entsprechende Stellflächen und Außenanlagen für ein ansprechendes Ambiente. So mussten und müssen im gesamten Areal um Prora riesige Flächen gepflastert werden. Während viele Bodenbereiche noch Erinnerungen an die Nutzung durch die Nationale Volksarmee wachrufen, die den Komplex nach Abzug der Nationalsozialisten und später der russischen Armee übernommen hatte, zeigen nun weite Teile rund um die herausgeputzten Blöcke schon die geschmackvolle Wegeführung, die der anspruchsvolle Feriengast von gut ausgestatteten Urlaubsressorts erwartet. Dabei gilt es für die Planer, die Gestaltung dieser Flächen so zu entwerfen und nachhaltig auszuführen, dass sie einerseits dem denkmalwürdigen Anspruch an das Ensemble gerecht werden und gleichzeitig im wirtschaftlichen Rahmen bleiben, da die öffentlichen und halböffentlichen Fußwege rund um die Häuser mehrere Kilometer umfassen.
Betonpflastersteine für insgesamt über 50.000 Quadratmeter Bodenfläche liefert die HeidelbergCement-Beteiligung Lithonplus seit 2017 für das immense Bauvorhaben aus den regionalen Werken Hohen Wangelin und Demmin. Verbaut wurden davon bislang an verschiedenen Blöcken der Ferienanlage 20.000 Quadratmeter. Diverse Steine, von Gehwegplatten in Silbergrau über beige, graue oder weiße feingestrahlte Betonpflaster mit Natursteinanmutung, bringen den Außenanlagen unterschiedliche Farben, Oberflächen und Formate und damit ein vielschichtiges und differenziertes Bild.
OBJEKTSTECKBRIEF
Projekt:
Außenanlagen KdF-Anlage Prora, Block I und Block III
Projektentwickler:
Inselbogen Strandimmobilien GmbH & Co. KG, Wuppertal/Binz
Teilprojekt Strandresidenzen:
binzprora strandresidenzen GmbH & Co. KG, Binz
Architektur Block III:
Hoppe Architekten, Wuppertal (inkl. Außenraumgestaltung und Parkplätze)
Außenraumgestaltung Block I:
Dipl.-Ing. Dierk Evert, Garten- und Landschaftsarchitekt, Lietzow / Rügen
Bauausführung beide Blöcke
Beteiligte Bauunternehmen:
SAW GmbH, Sagard; WEGA33, Heiko Kahmann, Kluis
Produkte:
Gehwegplatten, Pasand, silbergrau und weiß; Rasengittersteine Raga, weiß;
Pflastersystem LP 5, weiß;
Via Tagona, Pasand, oysterbeige;
Neuklosterpflaster Cassero plan, gelb;
Beganit-Großpflaster
Liefermenge:
insgesamt 50.000 Quadratmeter
Lieferwerke:
Demmin und Hohen Wangelin, Lithonplus GmbH & Co. KG, Lingenfeld
Die großen Parkplatzanlagen für die Feriengäste, die neben einigen neuen Parkhäusern angelegt werden, müssen im Landschaftsraum auch ökologischen Anforderung gerecht werden und ein hohes Maß an Versickerung von Regenwasser ermöglichen. Hoppe Architekten aus Wuppertal, die Block III sanierten, haben auch die Planungsleistungen für den Außenraum übernommen. Eine der riesigen, fast 10.000 Quadratmeter großen Parkflächen abwechslungsreich zu gestalten ist Architekt Hoppe und seinem Team mit einer grafischen Anordnung von weißen Rasengittersteinen mit und ohne Fries gelungen, die unmittelbar unter den Stellflächen angeordnet sind und diese auch kennzeichnen, so dass der Platz ohne Bemalung auskommt. Außerdem kombinierte der Architekt Streifen von grauen Betonpflastersteinen mit kleinem Format zwischen den Stellflächen mit größeren hellen Platten, die auch die Wegeführung auf dem Platz bestimmen. Für die Flächen vor der von ihm sanierten Häuserzeile und rund um den Erschließungsblock legte er Wert auf eine ausgesuchte Farbgebung. So ließ er Betonsteinplatten in einer sehr hellen Sonderfarbe mit Weißzement fertigen und diese in verschiedenen, oft großen Formaten quadratisch oder im wilden Verband ansprechend verlegen. Größere Plattenformate wählte der Architekt auch für die Terrassen der Ferienwohnungen. Den hellen Stein kontrastierte er auch hier mit in Streifen verlegten grauen Platten.
Für Block I mit dem bereits fertiggestellten Dormero Standhotel Rügen beauftragte ein Investor neben einem Architekten auch einen Landschaftsgestalter. Der Landschaftsarchitekt Dierk Evert aus Rostock schuf mit unterschiedlichen Betonsteinplatten in hellem Oysterbeige oder zartem Gelb eine Alternative zu grauen Gehwegen und näherte sich auf diese Weise dem hellen Putz des historischen Bauwerks an. Vor dem verglasten Hotelfoyer gestaltete er einen Steinkreis aus hellem und grauem Beganit-Großpflaster. Von diesem führt ein Streifenmuster wie ein stilisierter Zebrastreifen zum Zugang.
Noch ist es ruhig am Strand in Prora, verhaltener Baulärm verliert sich in den Weiten des immensen Projekts. Einmal fertiggestellt, können hier Tausende von Menschen nebeneinander Urlaub machen, nicht so viele wie einst von Ideologen beabsichtigt, doch schon eine Anzahl, die weit vom Gedanken an Individualtourismus entfernt ist. Da seit einiger Zeit der Trend zum Urlaub im eigenen Land geht und sich Rügen nach der Wende mit über sechs Millionen Besuchern pro Jahr laut Spiegel Online zur beliebtesten deutschen Urlaubsinsel entwickelt hat, hat auch Prora beste Aussichten. Die projektierten Ferienwohnungen jedenfalls sind alle schon verkauft.
Susanne Ehrlinger