• Kategorie

    • Produkte & Projekte
  • Thema

    • Wohnen
  • Schlagwörter

Konversionsflächen werden urbane Quartiere // Ausgabe 1/2021

Stadt im Wandel

Auf ehemals von den US-amerikanischen Streitkräften genutzten Flächen entsteht mitten in Heidelberg neues urbanes Leben. In einem der größten städtebaulichen Projekte Deutschlands realisieren die Züblin AG und das Bauunternehmen Michael Gärtner mit Heidelberger Beton verschiedene Wohnungsbauten.

Wohnen

Bild: MTV Bauen und Wohnen GmbH & Co. KG / Ludolf Hennrich

„Natürlich kümmere ich mich um die Zukunft. Ich habe vor, den Rest meines Lebens darin zu verbringen“, soll der amerikanische Schriftsteller Mark Twain einmal gesagt haben. Manchmal beginnt die Zukunft unverhofft und bringt Dinge ins Rollen, die kaum vorhersehbar scheinen. Eine Umwälzung dieser Größenordnung haben die ostdeutschen Länder nach 1989 erlebt. Als vor über 30 Jahren die Deutsche Einheit die Transformation von Lebensentwürfen einläutete, brachten die politischen Folgen auch eine rasante Umwandlung sowie Entwicklung ganzer Landstriche und Industrieregionen in Gang. Die Hansestädte Stralsund und Wismar wurden etwa mit ihren mittelalterlichen Stadtgrundrissen und baulichen Überlieferungen aus der Schwedenzeit Welterbestätten und strahlen heute in saniertem Glanz. Ganze Industriezweige wurden abgewickelt und neue – wie die Tesla Gigafactory – sind im Entstehen. Eine demografische Verschiebung von Ost nach West nahm ihren Lauf, die deutsche Ostseeküste wiederum entwickelte sich binnen einer Generation vom Darß bis nach Usedom zu einer der beliebtesten gesamtdeutschen Urlaubsregion.

Auch für Westdeutschland brachte 1989 – wenn auch in weit geringerem Ausmaß – weitreichende Änderungen. Infolge des teilweisen Truppenabzugs der US-Armee, der mit dem Ende des Kalten Krieges einherging, gewann beispielsweise Heidelberg unerwartet Fläche für urbane Entwicklung im Stadtgebiet. Insgesamt 180 Hektar innerstädtische Konversionsflächen haben der historischen Stadt am Neckar die Jahrhundertchance einer weitreichenden städtebaulichen Planung geboten, wie sie anderen Kommunen heute aufgrund dichter Bebauung und Mangel an Freiflächen selten gegeben ist. Als Wissenschafts- und Universitätsstandort, der Menschen aus aller Welt – auf begrenzte Zeit wie etwa Studierende, aber auch dauerhaft Beschäftigte mit ihren Familien – anzieht, braucht eine Stadt wie Heidelberg neben attraktiven Flächen für Gewerbe und Forschung vor allem Wohnraum. Sie gehört zur Metropolregion Rhein-Neckar, die knapp zweieinhalb Millionen Einwohner zählt und immer noch wächst. 39 Prozent der Einwohner Heidelbergs sind jünger als 30 Jahre, auch sie werden in absehbarer Zukunft einen eigenen Hausstand oder Familien gründen.

Die neue Südstadt ist eines der größten Wohnungsbauprojekte in Deutschland. Heidelberg setzt hier ein Beispiel, das bundesweit beachtet wird.

Prof. Dr. Eckart Würzner, Oberbürgermeister der Stadt Heidelberg

Seit Langem schon kämpft die älteste deutsche Universitätsstadt mit einem angespannten Wohnungsmarkt und hohen Preisniveau. Seit einigen Jahren können nun auf den frei gezogenen Arealen vielfältig gemischte, vitale Quartiere entstehen, die dem Anspruch der Stadt nach bezahlbarem Wohnraum auch für Familien und Geringverdiener genügt und gleichzeitig die bekannte Lebensqualität dieser Stadt weiter entfalten und bewahren kann.

Die „Konversionsfläche Südstadt“ macht mit einer Größe von insgesamt 40 Hektar fast ein Viertel des gesamten Stadtteils aus. Sie besteht aus den ehemaligen US-Arealen Campbell Barracks und Mark Twain Village, die sich sukzessive in ein modernes, energiesparendes, nachhaltiges und wirtschaftliches Stadtquartier mit viel Grün wandeln soll. Die von viel Bürgerbeteiligung begleitete Stadtentwicklung ist schon weit vorangeschritten. Die Mischung aus sanierten Bestandsbauten und neuem Wohnungsbau lässt hier innenstadtnah ein weiteres Stück Heidelberg entstehen. Bereits im Sommer 2016 konnten vor allem junge Familien in die ersten fertigen Wohnungen einziehen. Nun leben schon fast 1.000 Menschen im Quartier und an allen Ecken wird noch gebaut. „Die Südstadt hat uns die Chance gegeben, neuen und vor allem preiswerten Wohnraum zu entwickeln. Wir schaffen das dank des enormen Engagements der genossenschaftlichen Bauträger und unserer städtischen Wohnungsbaugesellschaft GGH“, äußerte Oberbürgermeister Prof. Dr. Eckart Würzner anlässlich einer Ortsbegehung. Dass 40 Prozent der Mietwohnungen für weniger als acht Euro pro Quadratmeter zur Verfügung gestellt werden kann, dafür steht auch die MTV Bauen und Wohnen GmbH & Co. KG, ein Zusammenschluss genossenschaftlich organisierter Banken und Wohnungsbauunternehmen sowie der bereits erwähnten städtischen Gesellschaft für Grund- und Hausbesitz (GGH). Das Konsortium hat rund 15 Hektar der Konversionsfläche Südstadt von der Stadt übernommen und investiert dort, gemeinsam rund 480 Millionen Euro in Neubau und Sanierung von etwa 1.200 Wohnungen und knapp 300 Wohnheimplätzen. Die über Jahre laufenden Baumaßnahmen gehen zurück auf einen Masterplan von metris architekten + stadtplaner, den der Heidelberger Gemeinderat bereits 2014 beschlossen hat. Das wohnungspolitische Konzept sieht vor, dass 40 Prozent der Wohnungen im preisgünstigen Mietsegment, 30 Prozent für sogenannte Schwellenhaushalte und weitere 30 Prozent im Segment „freier Markt“ entstehen sollen. Viele der Wohnungen gehen derzeit in die Vermietung. Angestrebt wird dabei eine sozial ausgewogene Differenzierung.

Städtebauliche Aufwertung

Mitte des Jahres wird eine Anzahl von Wohnbauten vollendet, die binnen kurzer Zeit realisiert worden sind. Im Quartier an der Kirschgartenstraße werden dieser Tage die Bauten auf zwei Baufeldern fertig, für die Fischer Architekten aus Mannheim auf Grundlage des genannten Masterplans jeweils die Entwürfe erarbeitet haben. Auf dem Baufeld A2.2 erstellte die Ed. Züblin AG, Bereich Mannheim, sieben Stadthäuser und vier Mehrfamilienhäuser. „Wir sind gerade beim Ausbau und stellen die Wohnbauten bis Oktober 2021 fertig“, berichtet Bauleiter Maxim Engel-Moog von Züblin, der die MTV-Baustelle seit Mitte 2020 mit rund 60 Bauarbeitern betreut. Die Wohnungen werden durch zwei Gewerbeeinheiten ergänzt. Für das gesamte Bauvorhaben lieferte Heidelberger Beton, Gebiet Kurpfalz/Karlsruhe, rund 4.300 Kubikmeter Beton. Auch beim Baufeld A3.2 kam der Beton von Heidelberger. Hier errichtete die Michael Gärtner GmbH mit ihrer Mannheimer Abteilung Schlüsselfertigbau vier Wohn- und sieben Stadthäuser. Aus den Lieferwerken Eppelheim und Mannheim-Rheinau wurden hier insgesamt 4.000 Kubikmeter Beton geliefert.

Die Heidelberger Südstadt war schon vor Beginn der Entwicklung des Quartiers Mark Twain Village ein begehrtes Wohngebiet. Allerdings war die Infrastruktur nicht gut ausgebaut. Obwohl stadtnah, mussten für Einkäufe ausgedehnte Wege zurückgelegt werden. Die städtebauliche Weiterentwicklung bringt für alle Bewohner einen Vorteil. Unter anderem mit der Eröffnung eines Nahversorgungszentrums an der Ecke Römer- und Rheinstraße erfährt der Stadtteil eine Aufwertung.

Ein attraktives Wohnumfeld mit Park- und Spiellandschaft, Kultureinrichtungen, Restaurants, Nahversorgungszentrum und kleineren Einheiten für Gewerbetreibende unterstützen das lebenswerte Wohnquartier.

MTV Bauen und Wohnen, Projektgesellschaft

So entsteht ein neues Quartier, das neben bezahlbaren Wohnungen auch Raum bietet für Geschäfte, Gastronomie, Praxen, Spielplätze, Kindergärten und attraktive Gebäude für Unternehmen. Das Ganze unweit der City, mitten in der Südstadt. Auch die Kultur und mit ihr die Entstehung verschiedener Kultureinrichtungen kommt nicht zu kurz. Dass hier etwas Besonderes entsteht, dafür steht auch die Beteiligung der IBA. So ist „Der andere Park“ ein preisgekröntes Förderprojekt im Bundesprogramm „Nationale Projekte des Städtebaus“ und offizielles Projekt der Internationalen Bauausstellung Heidelberg. Fußläufig von den neuen Wohnbauten entfernt, verknüpft und verbindet diese Parkanlage verschiedene Orte des Wissens im Areal – dazu zählen das Kultur- und Veranstaltungshaus Karlstorbahnhof, ein Kreativwirtschaftszentrum, das Mark Twain Center für Geschichte und Gegenwart der transatlantischen Beziehungen in der ehemaligen Kommandantur und ein neues Bürgerzentrum in der ehemaligen Chapel, dem Kirchengebäude der US-Armee. „Das gesamte Areal soll mit seinen historischen Schichten als Archiv des Vergangenen und als Plattform des Wissens für die Zukunft verstanden werden“, heißt es in der Projektübersicht der IBA. Mit dieser hier sichtbar belassenen Umformung jüngerer Geschichte entsteht etwas Neues. Ab 2024 werden mehr als 3.000 Menschen im Quartier Mark Twain Village, das die Stadt Heidelberg um ein interessantes Viertel mit urbanen Sehenswürdigkeiten bereichert, wohnen.

Text: Susanne Ehrlinger

Stadt im Wandel

Jetzt auch auf

Objektsteckbrief

Projekt: Mark Twain Village, Bebauung in der Heidelberger Südstadt auf ehemaligem Kasernengelände; Baufeld A2.2 und A3.2

Bauherr: MTV Bauen und Wohnen GmbH & Co. KG, Heidelberg

Architekten: Fischer Architekten GmbH Architektur und Stadtplanung BDA, Mannheim

Baufeld A2.2: 7 Stadthäuser, vier Mehrfamilienhäuser, schlüsselfertig

Bauunternehmung: Ed. Züblin AG, Bereich Mannheim

Baufeld A3.2: 7 Stadthäuser, vier Mehrfamilienhäuser, schlüsselfertig

Bauunternehmung: Michael Gärtner GmbH, Eberbach (Abteilung Schlüsselfertigbau, Mannheim)

Beton: 8.300 m3 Beton /Bezeichnung, der Heidelberger Beton GmbH, Gebiet Kurpfalz/Karlsruhe

Lieferwerke: Eppelheim und Mannheim-Rheinau