Im Heidelberger Sand- und Kieswerk Dettelbach wird Energieeffizienz großgeschrieben. Nachdem die Maschinen und die Technik schon auf dem neuesten Stand waren, gab sich Werksleiter Jürgen Popp noch nicht zufrieden und die Idee entstand, Strom mithilfe von Photovoltaik (PV) selbst zu produzieren. In Zusammenarbeit mit Bernhard Beck, einem Experten für Solaranlagen und Gründer des Unternehmens Climagy aus Zeilitzheim, wurde die Idee in die Tat umgesetzt. Jürgen Popp erinnert sich: „Wir haben überlegt, welche Flächen dafür in Frage kämen. Die Dachflächen waren aufgrund der westlichen Ausrichtung und der üblichen Staubbelastung ungeeignet. Die Flächen an Land werden noch abgebaut, da war dann der Baggersee für unser Werk die ideale Fläche.“ Dieser Ansatz war damals in Deutschland noch völlig neu, im Ausland gibt es die schwimmende Photovoltaik, auch „Floating PV“ genannt, schon länger. Bevor mit dem Projekt begonnen werden konnte, waren unter anderem die Fragen zu klären: Wie genehmigt man eine schwimmende Anlage? Wer ist überhaupt zuständig? Hinzu kommt, dass sich die Genehmigungsprozesse in Deutschland je nach Bundesland unterscheiden. „Die Politik hat das Projekt auf allen Ebenen unterstützt. Bis alle Fragen geklärt waren und mit dem Bau der Anlage begonnen werden konnte, sind mehr als zwei Jahre vergangen. Da brauchten wir schon einen langen Atem,“ so Bernhard Beck.
Mit diesem Solarkraftwerk ist es gelungen, eine Brachfläche einem wirtschaft[1]lichen Nutzen zuzuführen.
Thomas Wittmann, Geschäftsführer Heidelberger Sand und Kies GmbH
Dettelbacher Baggersee hat die nötige Infrastruktur
An einem Baggersee wird in der Regel viel Strom verbraucht, denn die Maschinen, die für den Sand[1]und Kiesabbau nötig sind, werden meist mit Strom betrieben. So ist die elektrische Infrastruktur, wie Stromleitungen, Zähler und Verteiler, schon vorhanden. Dies war natürlich auch am Dettelbacher Baggersee ein großer Vorteil. „Wir wollten alles, was möglich ist, mit Heidelberger Produkten herstellen und hier Hand in Hand mit der Baufirma arbeiten, um die Solaranlage noch vor dem Wintereinbruch fertig zu stellen“, sagt Jürgen Popp. Das schwimmende Solarkraftwerk besteht aus 4.000 Schwimmkörpern, sogenannten Pontons. Die Solarmodule liegen auf den Pontons auf und werden Stück für Stück an Land miteinander verschraubt. Dann werden die Flächen in mehreren Abschnitten in das Wasser geschoben und dort wie ein Flickenteppich zusammengefügt. Damit die Anlage nicht abdriften kann, ist sie mit 28 Betonankern auf dem Seegrund befestigt. Insgesamt wurden dafür rund 200 Tonnen Beton eingesetzt, natürlich im eigenen Betonwerk vor Ort produziert. Die Installation auf einer Wasserfläche ist zwar etwas aufwendiger als auf einer Freifläche an Land, die Wartung jedoch ist leicht und kostengünstig. Gebaut wurde die Anlage von Climagy. Das Unternehmen investierte rund 800.000 Euro und verkauft den Solarstrom künftig an Heidelberger Sand und Kies. Die Anlage finanziert sich durch den Eigenverbrauch und Überschusseinspeisung ins Stromnetz und ist auf einen angestrebten Betriebszeitraum von 25 Jahren ausgelegt.
Solaranlage spart CO2 Geschäftsführer
Thomas Wittmann von Heidelberger Sand und Kies zur Motivation des Projekts: „Mit diesem Solarkraftwerk ist es gelungen, eine Brachfläche einem wirtschaftlichen Nutzen zuzuführen. Dazu wollen wir gleichzeitig grünen Strom produzieren und, wenn es geht, den auch selber verbrauchen. Ein wichtiger Aspekt ist es, dass das schwimmende Solarkraftwerk 280 Tonnen CO2 pro Jahr einspart. Uns ist bewusst, dass der Sand- und Kiesabbau ein Eingriff in die Umwelt ist. Wir sind aber bestrebt, die Nachfrage nach diesen Rohstoffen so umweltverträglich wie nur möglich zu machen.“ Das Kieswerk kann mit dem umweltfreundlich gewonnenen Strom von zirka 700.000 Kilowattstunden aus dem Baggersee fast komplett versorgt werden. Bei gutem Wetter ist in der Bauwirtschaft Hochbetrieb, was für einen hohen Verbrauch im Werk sorgt. Im Winter, wenn es saisonbedingt etwas ruhiger wird, produziert auch die Solaranlage weniger Strom. „Wir überlegen, unsere Produktion im Sommer zu erhöhen, und dafür im Winter zu reduzieren, so dass wir deutlich weniger Strom aus dem Netz ziehen müssen“, so Jürgen Popp. Die Solarstromproduktion ist im Einklang mit der Erzeugungsleistung des Werks und somit ist für die Bauwirtschaft die Nutzung des Solarstroms sinnvoll. An den Wochenenden speist die Anlage dann mit dem nicht genutzten Strom das öffentliche Stromnetz. Bernhard Beck erklärt: „Mit der Eigenerzeugung am Standort Dettelbach können wir in Zeiten hoher Nachfrage auch das allgemeine Stromnetz entlasten. Die Anlage leistet somit einen wichtigen Beitrag zur Netzstabilität und Versorgungssicherheit.“
Positive Auswirkung auf den Baggersee
Der Solarteppich verdeckt nur knapp zwei Prozent der insgesamt 30 Hektar großen Seefläche. Die schwimmende Solaranlage produziert durch den Kühleffekt des Gewässers im Vergleich zu Landanlagen sogar etwas mehr Strom. Dies hat keine negative Auswirkung auf den See, sondern das Gegenteil ist der Fall: Da stehende Gewässer nur durch Grundwasserzulauf reguliert werden, können sie sich bei starker Sonneneinstrahlung erwärmen, was zu starker Algenbildung führt. Die Anlage kann dies durch die Verschattung des Sees vermeiden. Durch das schwimmende Solarkraftwerk gibt es keine Uferbeeinträchtigungen für das biologische Leben. Zusätzlich werden Brutinseln für Vögel errichtet, um noch weitere Ruhezonen zu schaffen.
Die Photovoltaikanlage in Dettelbach ist ein sehr erfolgreiches Pilotprojekt.
Thomas Wittmann, Geschäftsführer Heidelberger Sand und Kies GmbH
Großes Potenzial für den Klimaschutz Es wäre möglich, noch viel mehr Strom auf diese umweltverträgliche Weise zu produzieren, aber das wird durch die aktuelle Gesetzgebung eingeschränkt. Das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) begrenzt die Förderung für selbst erzeugten und selbst genutzten Strom auf 750 Kilowatt. Wird die Grenze überschritten, ist die Einspeisevergütung nicht mehr garantiert. Thomas Wittmann erklärt: „Wir hätten die Anlage gerne größer gebaut, aber dafür müsste sich die Gesetzgebung ändern. Die Wertschätzung aus der Bevölkerung und der Lokalpolitik in Dettelbach für dieses Projekt ist groß. Es wäre aber auch wünschenswert, wenn wirtschaftliches Handeln für die Umwelt und die damit einhergehende Einsparung von CO2 die entsprechende politische Wertschätzung auch in Berlin erhalten und den Unternehmen mehr Freiheiten zur Senkung des CO2-Ausstoßes gegeben würde.“
Jeder Quadratmeter installierter Photovoltaikmodule nutzt der Umwelt erheblich, weil dafür der CO2-Ausstoß langfristig reduziert werden kann. Der Weg von der Idee bis zur Umsetzung war nicht ganz einfach, aber der mühselige Genehmigungsprozess hat sich gelohnt. Thomas Wittmann resümiert: „Die Photovoltaikanlage in Dettelbach ist ein sehr erfolgreiches Pilotprojekt. Aktuell prüfen wir an all unseren Standorten, ob es die Möglichkeit für ein PV-Projekt, egal ob an Land oder auf dem Wasser, gibt und werden es dann auch umsetzen.“
Melanie Kotzan
Objektsteckbrief
Projekt: Photovoltaikanlage auf Baggersee des Heidelberger Sand und Kieswerks in Dettelbach
Photovoltaikfläche: 6.000 Quadratmeter
Produktion: 700.000 Kilowattstunden umweltfreundlichen Strom pro Jahr
CO2-Ersparnis: 280 Tonnen pro Jahr
Projektpartner: Heidelberger Sand und Kies GmbH, Heidelberg; CLIMAGY Projektentwicklung GmbH, Zeilitzheim
Fertigstellung: Dezember 2020