Das kleine kölsche Wahrzeichen des Deutzer Hafens führt seit mehr als 114 Jahren Fußgänger, Radfahrer und längst auch Autofahrer über die Einfahrt zum Hafenbecken hinüber zu den Grünanlagen am Rhein. Besonders für Anwohner und Besucher ist die historische Deutzer Drehbrücke eine wichtige Verbindung zu den Poller Wiesen und weiteren Freizeiteinrichtungen der Stadt.
Dass in den Gründerzeitjahren um 1888 die beiden rechtsrheinischen Städte Deutz und Poll eingemeindet wurden, war für die Entwicklung der Stadt Köln ein wichtiger Schritt. An diesem Ort bildet der Rhein durch einen rund ein Kilometer langen, abzweigenden Flussarm eine schmale Landzunge aus. Die natürliche Formation eignete sich damals perfekt für den Bau des Deutzer Hafens, der bis heute zwischen dem Naturraum und dem heutigen Stadtteil Deutz liegt. Schon zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts war den Verantwortlichen klar, dass die Wasserfläche zwischen dem aufblühenden Hafenviertel und den Poller Wiesen überbrückt werden musste. Denn auch auf der Landzunge siedelten sich Gewerbeflächen an, heute ist es ein beliebtes Naturschutzgebiet und dient der Naherholung.
So wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von findigen Ingenieuren eine ungleichschenklige, ausbalancierte Drehbrücke in Stahlfachwerkkonstruktion konzipiert, die Schiffen bei Bedarf freie Zufahrt zum hinteren Hafenbecken gewährt. Ab 1907 gebaut, konnte sie bereits 1908 an den Verkehr übergeben werden. Die gesamte stählerne Brückenkonstruktion ist dem Zeitgeist entsprechend mit geometrischen Ornamenten nach Art des Jugendstils verziert worden, einer Stilrichtung, die Ästhetik und Funktionalität vereinte.
Seit 1980 steht das Deutzer Brückenbauwerk unter Denkmalschutz. 2015 hatte der Rat der Stadt Köln beschlossen, die Brücke komplett zu sanieren. Das umfasste neben der Instandsetzung der Antriebstechnik auch das Entschichten der gesamten Stahlkonstruktion von der ursprünglichen Korrosionsschutzschicht. Aufgrund starker Korrosion mussten viele der Stahlträger denkmalgerecht nachgebaut werden. Die gesamte Brücke, inklusive der Fahrbahn, ein ausbetonierter Stahltrog, schwenkt bei dieser Brückenkonstruktion mit einem kurzen und einem langen Ausleger um das zentrale Lager im Schwerpunkt der Konstruktion. Dieser liegt unterhalb des Maschinenhäuschens.
Während des Drehvorgangs hängen die jeweiligen Enden der Brücke frei herunter und biegen sich durch das Gewicht mehrere Zentimeter nach unten. Wird die Brücke für den Verkehr geöffnet, fährt sie mit den Enden auf zusätzliche Lagerungsräder und wird wieder nach oben gedrückt. Gerade diese stete Bewegung der Brücke gab den Betonexperten zu denken. „Aufgrund der Statik und wegen der Beweglichkeit kam kein moderner Beton in Frage, dieser wäre zu hart und würde die Bewegung verhindern“, erinnert sich Barbara Schäferling vom Amt für Brücken, Tunnel und Stadtbahnbau der Stadt Köln, die als Bauherrenvertreterin fungiert.
„Der Beton für die Deutzer Drehbrücke durfte nicht zu fließfähig und nicht zu steif sein. Den Erfordernissen des Bauwerks gemäß sowie aus Gründen des Denkmalschutzes und der Nachhaltigkeit konzipierten wir ihn exakt nach historischem Vorbild.“
Ingo Lothmann, Leiter Produktmanagement von Heidelberger Beton
Obwohl aufgrund der besonderen Situation kein hohes Nacherhärtungspotenzial des Betons sinnvoll erschien, sollte dieser für die Abdichtung der Oberfläche doch eine gewisse Oberflächenzugfestigkeit aufweisen. Sehr hilfreich, so die Projektleiterin, war die Expertise von Ingo Lothmann, der lange Jahre für Heidelberger Beton Köln tätig war und heute Produktmanager des Unternehmens in Heidelberg ist. Als er von der Sanierung der Deutzer Brücke erfuhr, verspürte der Betonspezialist eine besondere Motivation, eine Rezeptur zu konzipieren, die situationsbezogen funktioniert, nachhaltig ist und den Anforderungen des Denkmalschutzes genügt. Kein Hochleistungsbeton war hier gefragt. Dieses Bauwerk benötigte nicht Hightech, sondern erforderte wie vor hundert Jahren eine Mischung ohne moderne Zusatzstoffe. Ingo Lothmann entwickelte den Beton gemäß einem traditionellen Drei-Stoff-System, pur aus Kies, Zement und Wasser. Er realisierte einen exakt dimensionierten Beton, der nicht spröde wird und der auch den Bewegungen der Brücke dauerhaft standhält. Eine Prüfung des alten Betons mittels Bohrkernuntersuchung hatte bereits auf die entsprechenden Festigkeiten verwiesen.
Anders als bei modernen Brückenbauten, bei denen Hochleistungsbetone etwa mit chemischen Zusätzen und Verzögerern zum Einsatz kommen, war bei der denkmalgeschützten Drehbrücke eine geringere Festigkeit gefordert. Erste Versuche vor Ort haben nun laut Dipl.-BauIng. Schäferling eine Oberflächenzugfestigkeit von im Mittel 1,07 N/mm2 ergeben, die genau auf das Bauwerk und seinen Anforderungen abgestimmt ist und auch weitere 100 Jahre Haltbarkeit erwarten lässt.
Anfang des 20. Jahrhunderts war Portlandzement in Deutschland bereits genormt. So konnten im Vorfeld mehrere Probewürfel mit einem Zement aus dem Lieferwerk Ennigerloh gegossen werden, um prüfen zu können, welche Zusammensetzung die entsprechende Druckfestigkeit, Konsistenz und Rohdichte ergibt, die dem Original entspricht. Auch die eigentliche Betonage war etwas diffizil. Sie erfolgte mit Kran und Kübel Schritt um Schritt von zwei Seiten. Denn auch wenn die Brücke für die Bauzeit mit hydraulischen Pressen an beiden Enden auf dem Untergrund abgestützt war, so sollte das „neue“ Betongewicht sie doch nicht völlig aus dem Gleichgewicht bringen und musste daher abwechseln auf den beiden verschieden langen Auslegern aufgebracht werden. Da die Drehbrücke aus technischen Gründen kein Längsgefälle besitzt, wurde in dem relativ steifen Beton hierbei zusätzlich ein Dachgefälle ausgeführt.
Deutzer Drehbrücke
Die bemerkenswerte, asymmetrisch genietete Stahlfachwerkkonstruktion hat eine Spannweite von 31,29 Meter am langen und 19,37 Meter am kurzen Arm. Ihr Eigengewicht beträgt 458 Tonnen, wovon etwa 177 Tonnen aus Stahl sind. Das historische Beispiel technischer Ingenieurkunst kann über ein bis heute erhaltenes Steuerhäuschen, das mittig aufsitzt, elektrisch gesteuert werden. Zunächst wird die schwere Konstruktion hydraulisch aus der Ruheposition gebracht und dann mit Hilfe des Elektromotors bewegt. Konstruiert wurde das Meisterwerk von der „Duisburger AG für die Eisenindustrie und Brückenbau“, ehemals J. C. Harkort. Die Mechanik lieferte die damalige Maschinenfabrik Haniel und Lueg aus Düsseldorf.
Objektsteckbrief
Projekt: Drehbrücke Deutz, Köln
Inbetriebnahme: 1908
Sarnierung: 2014 – 2022
Bauherr: Amt für Brücken, Tunnel und Stadtbahnbau, Stadt Köln
Ingenieure: eberhardt – die ingenieure gbr, Tecklenburg
Beton: Heidelberger Beton
Zement: HeidelbergCement – Werk Ennigerloh
Betonüberwachung: Betotech Baustofflabor GmbH, Prüfstelle Köln, Köln-Immendorf