Die Stadtwerke München (SWM) haben Großes vor. Am Heizkraftwerk Süd im Münchner Stadtteil Sendling entsteht eine Geothermieanlage, die deutschlandweit ihresgleichen sucht. „Wir bauen die erneuerbaren Energien ganzheitlich aus – also im Strom- wie auch im Wärmebereich. Im Wärmebereich wird die meiste Energie verbraucht. Den wesentlichen Beitrag zur Münchner Wärmewende wird die Geothermie liefern“, begründet Helge- Uve Braun, Technischer SWM-Geschäftsführer, die aktuellen Baumaßnahmen seines Unternehmens. Tatsächlich fließen 40 Prozent der gesamten Energie, die in Deutschland verbraucht wird, in die Wärmeversorgung. In Privathaushalten machen Heizung und Warmwasserbereitung allein bis zu 90 Prozent des gesamten Verbrauchs aus. Mit der neuen Geothermieanlage können künftig mehr als 80.000 Münchnerinnen und Münchner mit Ökowärme versorgt werden. Die Anlage ist die jüngste von bislang sechs Geothermie-Anlagen, mit denen die Stadtwerke ihre Ausbauoffensive in Richtung erneuerbare Energien und CO2-neutrale Energieversorgung im Wärmebereich vorantreiben. Derzeit erzeugt der städtische Energieversorger Fernwärme zum größten Teil im umweltschonenden Kraft-Wärme-Kopplungsprozess und verteilt sie über ein 900 Kilometer langes Netz in der Stadt. Indem die fossilen Brennstoffe durch erneuerbare Wärme vor allem aus Geothermie ersetzt werden, lässt sich die ohnehin schon sehr gute Klima- und Ressourcenbilanz der Fernwärme noch einmal erheblich verbessern.
Den wesentlichen Beitrag zur Münchner Wärmewende wird die Geothermie liefern.
Helge-Uve Braun, Technischer SWM-Geschäftsführer
Die geologischen Voraussetzungen für die Nutzung der Erdwärme sind im Münchner Umfeld so gut wie in nahezu keiner anderen Region Deutschlands. Durch mehrere Seismik-Kampagnen in den vergangenen Jahren haben die SWM die Schichtung des Untergrunds in und um München analysiert. Aufgrund der Ergebnisse konnte unter anderem das Areal am bestehenden Heizkraftwerk Süd als geeigneter Standort bestätigt werden. Nach der Beräumung des vorgesehenen Baugrunds erfolgten sechs tiefe Bohrungen mit Längen zwischen 3.700 und 4.300 Metern, aus denen bis zu 108 Grad Celsius heißes Thermalwasser sprudelt.
Die Temperatur des Thermalwassers ist deutlich höher als vorab erwartet und verbessert folglich die Ergiebigkeit der Anlage. Aufgrund des Drucks im Untergrund bleibt das Thermalwasser auch bei diesen hohen Temperaturen flüssig. Zur technischen Abwicklung und Nutzung der Geothermie ist nun im ersten Bauabschnitt die benötigte neue Heizzentrale entstanden, im zweiten Bauabschnitt folgen der Bau eines Wärmespeicherbehälters nebst Treppenturm. Mit seinem Erscheinungsbild fügt sich der neue Technikbau in die Umgebung, in der sich weitere, teils historische Bauten finden. Der SWM war es ein Anliegen, an diesem innerstädtischen Ort unweit der Isarauen keinen weiteren Fremdkörper neben dem bestehenden Heizkraftwerk Süd zu schaffen. Die Nachbarschaft des gewachsenen Standorts ist geprägt von einem historischen Schaltanlagengebäude und dem ehemaligen Isartalbahnhof sowie von Wohn- und Gewerbebauten, die überwiegend vom Ende des 19. und vom Anfang des 20. Jahrhunderts stammen.
Mit einer Entscheidung für rot eingefärbten, strukturierten Leichtbeton gelang es dem beauftragten Architekturbüro Straub aus München bei der Gestaltung des Neubaus die Anmutung der nahegelegenen Ziegelfassaden formal aufzugreifen und modern zu interpretieren. Der rote Sichtbetonbau ist ein reines Technikgebäude, das zur Einbindung der Geothermieanlage ins Fernwärmenetz dient. Der 70 mal 24 Meter lange und rund 15 Meter hohe Flachdachbau beherbergt den Elektrogebäudeteil, die Pumpenhalle und das Thermalwassergebäude. Aus Brandschutzgründen wurden Elektro- und Thermalwassergebäude komplett aus Beton errichtet, während die Pumpenhalle sich als Stahlkonstruktion zeigt. Teilweise wurde der Betonbau mit Metallfassaden bekleidet, ebenso wie die schmale Verlängerung des Gebäudes, der angedockte Stahlbau. Die durchlaufende Bodenplatte, ein anspruchsvolles, sehr stark bewehrtes Maschinenfundament mit äußerst strengen Maßtoleranzen, die massiven Innenwände und die Decken wurden vor Ort mit Normalbeton von Heidelberger Beton gegossen.
Die verarbeitungsfreundliche Konsistenz des Leichtbetons mit einer leichten Gesteinskörnung aus Blähsand und Blähton und relativ schneller Festigkeitsentwicklung erleichterte den Arbeitsablauf.
Christoph Wirth, Gruppenleiter Hochbau
Die Art der Ausführung des strukturierten Leichtbetons in anspruchsvoller SB4-Sichtbetonqualität und seine ziegelrote Farbintensität entschied sich nach Begutachtung von rund fünf Quadratmeter großen, unterschiedlich ausgeführten Musterwänden. Für den einschaligen, 50 Zentimeter dicken Wandaufbau brachte der Generalunternehmer, die ausführende Pfeiffer Baugesellschaft aus Rosenheim, den Leichtbeton mit dem Hochbaukran und Betonkübel in bis zu acht Meter langen und bis zu sechs Meter hohen Betonierabschnitten ein. Die Verdichtung erfolgte mit Hochfrequenzinnenrüttlern und Schalungsaußenrüttlern. „Die verarbeitungsfreundliche Konsistenz des Leichtbetons mit einer leichten Gesteinskörnung aus Blähsand und Blähton und relativ schneller Festigkeitsentwicklung erleichterte den Arbeitsablauf“, erinnert sich Christoph Wirth, Gruppenleiter Hochbau von der Pfeiffer Baugesellschaft, die den Rohbau in acht Monaten erstellte. Produziert und geliefert hat den speziellen Beton mit der Festigkeitsklasse LC25/28 und der Rohdichteklasse D1,6 die Heidelberger Beton GmbH, Gebiet München, aus dem Lieferwerk Zamilastraße. Dort war die Einfärbung auf Eisenoxidbasis in individueller rot-schwarzer Abmischung erfolgt. Das Betotech Baustofflabor, Bereich München, hatte im Vorfeld auf Farbmustern sieben mögliche Farbvarianten hergestellt, die auch der Entscheidungsfindung dienten.
An der langen Betonfassade sah das Architekturbüro eine markante geriffelte Struktur ohne Fugen vor. Die Mitarbeitenden der Firma Pfeiffer legten daher zwei Meter große, wiederverwendbare Strukturmatrizen in die Trägerschalung ein, die sie auf Holzplatten montiert hatten. Etwas kompliziert erwies sich die horizontal linienförmige Ausrichtung der Strukturmatrizen beim Ausschalen, aber sie gelang, wie gewünscht, fast übergangslos, fugenfrei. An der Fassade zeichnen sich lediglich, wie gewollt, die Konturen der Matrizenelemente leicht ab. Durch die starke Riffelung war das Erreichen der hohen Ausführungsqualität SB4 in der Fläche kein Problem. Gewünscht waren allerdings klare Kanten und präzise eingeschnittene, glatt geschalte Öffnungen, in die anschließend Metalllamellen eingefügt wurden. Die Befestigungspunkte wurden lokal mit Leichtbetonmörtel nachgearbeitet. Da bei diesem Vorgang Matrizenteile auf die Oberfläche gepresst wurden, sind diese Löcher nicht mehr sichtbar. Betoniert wurde bis zur Attika, die durch ein feines, farblich auf die Lamellen abgestimmtes Abschlussblech konturiert wird. Auch im Inneren ist der Bau betonsichtig. „Dieser Sichtbetonbau, kombiniert mit seinen leicht bräunlich eloxierten Lamellen und der silbernen Metallfassade, ist ein sehr gelungenes Gebäude“, resümiert Bauleiter Christoph Wirth.
Ziel der Bauherrin SWM ist es, bis spätestens 2040 den Münchner Bedarf an Fernwärme CO2-neutral zu decken. Die Geothermieanlage in Sendling mit ihrem roten Technikgebäude ist ein weiterer großer Schritt in diese Richtung. Der Neubau zeigt zudem auf herausragende Weise, wie passgenau ein solches Gebäude in den städtisch-industriellen Kontext eingebunden werden kann.
Susanne Ehrlinger
Objektsteckbrief
Projekt: Technikgebäude am Energiestandort Süd, München
Bauherr: SWM – Stadtwerke München
Architekten: straub architekten bda und stadtplaner, München
Bauunternehmen: PFEIFFER BAUGESELLSCHAFT MBH, Rosenheim
Beton: Heidelberger Beton GmbH, Gebiet München
Lieferwerk: Lieferwerk Gräfelfing (Normalbeton); Ostwerk Zamilastrasse (Leichtbeton), München
Produkt: 800 m3 Leichtbeton Festigkeitsklasse LC 25/28, D1,6, F4, XC4/XF1/XA1, Größtkorn 10 mm, leichte Gesteinskörnung: Blähsand, Blähton, Einfärbung mit Farbpigment auf Eisenoxidbasis
Farbmuster: Betotech Baustofflabor GmbH, Bereich München