Den Einwohnern der belgischen Stadt Halle ist der imposante Backsteinbau immer noch unter der Bezeichnung „Altes Waisenhaus“ geläufig. Bis in die späten 1940er waren hier elternlose minderjährige Mädchen untergebracht. Später diente das Haus als Seniorinnen- und Pflegeheim. Nach einigen Jahren des Leerstands hat der historische Bau nun durch eine umfassende Sanierung und Umbauten eine neue Aufgabe erhalten: Er ist zu einem belgischen „Sociaal Huis“ umgewandelt worden, fungiert nun also als städtisches Sozialamt und dient zudem der Erweiterung des in unmittelbarer Nachbarschaft gelegenen Amtssitzes des Wohlfahrtsträgers „Openbaar Centrum voor Maatschappelijk Welzijn“ (OCMW). Dieser hatte bereits 2008 gemeinsam mit dem Vlaams Bouwmeester, einem in Belgien für baukulturelle Aspekte öffentlich bestellten Architekten, einen Wettbewerb für die Transformation des Gebäudes ausgelobt – den ersten Preis gewann der Entwurf des belgischen Architekturbüros WAW, der bis 2016 umgesetzt und mit Produkten der HeidelbergCement Group Benelux realisiert worden ist.
Im städtischen Sociaal Huis und beim öffentlichen Wohlfahrtsträger finden die Bürger von Halle Unterstützung in allen sozialen Belangen, etwa bei Mietfragen oder in der Schuldnerberatung. Das Haus ist Anlaufstelle bei der Arbeitsvermittlung für Familienhilfe, bei Rechtsberatung, Fragen der Pflege oder für Sprachunterricht. Die Umwandlung des alten Waisenhauses unterlag also nicht nur denkmalpflegerischen Gesichtspunkten, sondern auch dem selbst gesetzten Ziel, den Bürgern die Möglichkeit zur Partizipation in einer Atmosphäre des gegenseitigen Respekts zu bieten. Ein Anspruch, der sich nun auch räumlich ausdrückt, etwa in der einladenden Empfangshalle und bei den offenen, nutzerfreundlichen Grundrissen im Innern.
Insgesamt wurde der Backsteinbau von außen umfassend, aber behutsam saniert – der markante Turm auf dem Dach wurde dabei entfernt und durch einen originalgetreuen Nachbau ersetzt. Äußerlich zeigen lediglich wenige, aber sehr dezidiert gesetzte bauliche Ergänzungen die Modernisierung und Transformation an. Um dem Wunsch des Bauherrn nach einem Bezug zum Sitz des Trägers der Wohlfahrtspflege, der nur durch einen Parkplatz getrennt ist, nachzukommen, wurde in dieser Richtung im Sockelgeschoss ein neuer, transparenter Eingang angelegt. Markiert und überdacht wird er durch einen markanten Anbau, ein verglastes Volumen auf Sichtbetonstützen, das vor der Bestandsfassade sitzt und vom Obergeschoss aus erschlossen wird. Der ehemalige, zur Straße hin ausgerichtete Haupteingang des Gebäudes blieb erhalten, wird jedoch nur noch zu besonderen Anlässen genutzt.
Die Umwandlung erfolgte unter modernen architektonischen sowie denkmalpflegerischen Gesichtspunkten.
Ein zweiter von außen sichtbarer Eingriff ist die Öffnung der beiden geschlossenen Seitenfassaden des historischen Bestands durch jeweils ein großes quadratisches, leicht vorspringendes Fenster. Sie bilden gleichsam vitrinenartige „Displays“ der neuen Nutzung.
Die ehemalige Kapelle des Waisenhauses dient heute als Versammlungssaal.
Im Kontrast zu der eher vorsichtigen Arbeitsweise am äußeren Erscheinungsbild hat sich das Gebäudeinnere der neuen Nutzung entsprechend enorm gewandelt. Hier brachen die Architekten die existierende Struktur komplett auf und zogen eine völlig neue, teilweise freiliegende Tragstruktur aus Stahl und Beton ein, um mehr Offenheit und Raumtiefe zu schaffen. Die Höhe der Geschosse mit den Arbeitsräumen wurde weitgehend beibehalten, innenliegende Wände jedoch so weit wie möglich entfernt.
Die hier befindlichen Büros können dadurch flexibel positioniert und leicht verändert werden. Sie sind als offene Großräume angelegt, nur für die Abteilungsleiter gibt es verglaste, abschließbare Kabinen. Verschiedene, hier und da gesetzte Farbflächen akzentuieren die einzelnen Geschosse. Vom neuen Eingang führt der Weg zunächst zum großzügigen Foyer mit moderner Rezeption und ansprechendem Wartebereich. Der früher dunkle und halb im Souterrain liegende Raum präsentiert sich nun mit hohem Luftraum und umlaufender Galerie als zentrale Anlaufstelle im Mittelpunkt des T-förmigen Baukörpers. Die ehemalige Kapelle des Waisenhauses im Obergeschoss dient dem Wohlfahrtsträger heute als Versammlungssaal, im Dachgeschoss des Hauptgebäudes befindet sich darüber hinaus noch ein Archiv. Prägendes Element der Umgestaltung ist der bereits erwähnte aufgeständerte Anbau über dem Haupteingang, der den Außenraum wie eine Kanzel überblickt. Der beinahe schwebend wirkende Glaskörper nimmt einen weiteren Konferenzraum auf. Vor den schrägen Sichtbetonstützen des Tragwerks sitzt die Stahl-Glas-Fassade, zu deren rautenförmiger Struktur sich die Architekten von den Buntglasfenstern der Kapelle inspirieren ließen. Runde Aussparungen im Bereich der Betondecken, in denen Lampen sitzen, gepaart mit dem weiten Ausblick – der sich im Dunkeln in einen faszinierenden Einblick verkehrt – werten die soziale Einrichtung zu dem auf, was sie ihrem Anspruch nach sein soll, ein einladendes Dienstleistungszentrum für die Bürger.
Text: Diana Artus/Susanne Ehrlinger
Objektsteckbrief
Projekt:
Umbau eines historischen Waisenhauses in ein Amt für Soziale Dienste, Halle, Belgien
Bauherr:
Sociaal Huis, OCMW, Public Center for Social Welfare, Stadt Halle, Belgien
Architekten:
WAW architects, Sint-Genesius-Rode und Leuven
Betone verschiedenster Güten:
4.500 Kubikmeter
C25/30 und C30/37
300 Kubikmeter Weißbeton
Kubikmeter C50/60
geliefert von HeidelbergCement Benelux
Tragwerksplaner:
Paridaens ingenieurs bvba
HLS-Planung:
SB Heedfeld nv
Generalunternehmer:
Cordeel N.V., Belgien
Fläche:
2.596,25 m2
Fertigstellung:
2016
Kontakte & Links
Georgy Eggermont
Mail: georgy.eggermont@heidelbergcement.com