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Wohnhaus in Ettlingen // Ausgabe 1/2021

Faible für Leichtbeton

Sichtbar belassene Wände aus Beton, große Fensterausschnitte und eine klare, kubische Form zeichnen das moderne Wohnhaus von baurmann. dürr Architekten aus. Mit einem einschaligen monolithischen Wandaufbau aus Heidelberger Leichtbeton gelingen Architektur und nachhaltige Baukonstruktion aus einem Guss.

Wohnen

Bild: Stephan Baumann, Karlsruhe

In einem stadtnahen Wohngebiet der großen Kreisstadt Ettlingen fügt sich ein moderner Wohnbau wie selbstverständlich in die Straßenansicht ein. Aufgrund seiner klaren Kubatur und authentischen Materialität fällt er dennoch sofort ins Auge. Die Fassaden präsentieren sich in grauem Leichtbeton, mit dem hier eine einschalige Konstruktion realisiert wurde, die keine zusätzliche Dämm- oder Putzschicht erfordert. Der monolithische Baukörper zeigt sich aufgrund der Hanglage von der Straßenseite her zweigeschossig, von der Gartenseite her dreistöckig. Markant fasst dort ein in die Außenwand eingelassener, hochstehender Kamin den Bereich der Dachterrasse ein. Von diesem Obergeschoss aus bietet sich ein weiter Panoramablick. Daher legten die Architekten den Grundriss auch eher unkonventionell an. Küche und Essbereich liegen im Dachgeschoss, darunter öffnet sich der Wohnbereich ebenerdig zum Garten hin. Kinder- und Schlafzimmer befinden sich auf der Eingangsebene.

Die Wurzeln von Ettlingen reichen bis in die Römerzeit, die historische Altstadt ist geprägt von Bauten vergangener Jahrhunderte. Doch bei diesem Wohnhaus außerhalb der Innenstadt lässt sich der Wandel zu innovativen Bauweisen schon an der Außenwand ablesen. Ein Vorgängerbau aus den 1970er Jahren hätte sich energetisch kaum mehr auf einen zeitgemäßen Stand bringen lassen. So führt Martin Dürr aus: „Der Wille, den Energieverbrauch zu reduzieren, hat uns zu einem neuen Baustoff geführt, mit dem man wieder „ehrlich“ konstruieren kann.“

Für Bauunternehmer Thomas Schweigert ist dieses Einfamilienhaus eines von mehreren Häusern, die er bereits in Leichtbeton ausgeführt hat. Drei Wohnhäuser und einen Gewerbebau hat er realisiert, drei weitere Gebäude sind in Planung. Normalerweise arbeitet das Unternehmen schlüsselfertig, in Ettlingen hatte sich das Architekturbüro wegen des kompletten Rohbaus einschließlich der Gartenmauern, Stützwände und Müllboxen aus Sichtbeton an das erfahrene Team gewandt.

Alle tragenden, mit Stahl bewehrten Wände des Hauses sind aus Leichtbeton und außen wie innen in Sichtbeton ohne Farbzuschlag ausgeführt. „Für die gewählte Betonbauweise mit LC12/13 braucht man keine Zustimmung im Einzelfall, auch mit Stahlbewehrung funktioniert bei diesem Beton der Korrosionsschutz“, erläutert Thomas Schweigert. Überzeugungsarbeit musste bei diesem Entwurf nicht geleistet werden. Die Bauherrenschaft wollte ein Haus aus Sichtbeton und schätzt die Authentizität des Baustoffs. Eine Musterwand auf der Eingangsebene in sichtbar belassenem rohem Beton, à la Béton brut, gab den Maßstab für die vorgesehene Betonqualität und Oberflächengüte.

Die Faszination für den Baustoff Leichtbeton ist Thomas Schweigerts Ausführungen deutlich zu entnehmen. „Bei einem Haus aus Leichtbeton schaffen wir einen diffusionsoffenen Bau, der keine kontrollierte Wohnraumlüftung braucht. Zu so einer Bauweise müssen wir in der Breite kommen, dann kann man von Nachhaltigkeit sprechen, insbesondere, wenn es gelingt – wie von HeidelbergCement forciert – den Baustoff Beton künftig immer mehr in Richtung CO2-Neutralität zu bringen."

Beim Einfamilienhaus in Ettlingen war Bauunternehmer Schweigert sehr früh eingebunden. Er hat die Architekten bereits während der Entwurfsplanung beraten. Fensteröffnungen und Gebäudeausschnitte wurden nach Vorlage der Schalungspläne modifiziert, sodass die Abspanntechnik der Wandschalung, sprich die sichtbaren Befestigungspunkte, als bewusster Bestandteil der Fassadengestaltung sichtbar ist. Diese Ankerkonen – mit Betonstopfen verschlossen – sind vertikal angeordnet, sie befinden sich bei der von Schweigert bevorzugten, glatten Schalung mittig in den Schaltafeln und lassen ein gleichmäßiges Ankerbild entstehen, das auf die Fensteröffnungen abgestimmt ist. Die Schalung wurde von den Betonbauern ohne Vorsatzschalung drei Meter, sprich geschosshoch bis Unterkante Decke, aufgebaut; sie ist wie üblich nur geölt worden. Eine eingeschobene Dreikantleiste pro Stockwerk lässt nach dem Ausschalen eine klare Fuge an der Oberkante Decke entstehen. Für den Deckenaufbau kamen Filigrandecken zum Einsatz. Diese Halbfertigteile wurden mit speziellen Bewehrungsanschlüssen in die Wandschalung eingelegt, sodass Wand und Decke nach dem Betonieren biegesteif verbunden waren. Am Dachabschluss wurden die Wände bis Oberkante Attika betoniert, sodass am oberen Gebäuderand keine horizontale Fuge mehr verläuft. Über den Pfosten-Riegel-Konstruktionen, die das Haus großzügig zur Gartenebene und zur Terrasse hin öffnen, sowie über den Fensteröffnungen verläuft ein Überzug. Das Flachdach, eine massive Stahlbetondecke aus Normalbeton, verfügt über einen Deckenausschnitt, der zusätzlich zu den großen Fensteröffnungen Licht von oben in die Wohnräume im Dachgeschoss bringt.

Die sichtbar belassene Betonoberfläche der tragenden Wände trägt zur Charakteristik des Gebäudes bei und hat noch weitere Vorteile: „Bei Leichtbeton LC12/13 brauche ich keine Wärmedämmung. Eine 50 Zentimeter dicke Außenmauer mit einer Wärmeleitzahl von 0,25 W/mK bringt bereits den nötigen Dämmwert“, erläutert Bauunternehmer Schweigert. Das ist auch der Grund, warum er von diesem Baustoff so begeistert ist und ihn für wegweisend hält. „Wir haben hier einen vor Ort hergestellten monolithischen Wandaufbau, ohne zusätzliche Dämmung, ohne Beschichtung, ohne die Notwendigkeit weiterer Aufbauten. Es ist energetisch unsinnig, wenn ich für einen Wandaufbau zig Lagen brauche, von der Konstruktion über die Dämmung, über Folien, äußere und innere Putzschichten, Farbe und so fort, das gilt meiner Meinung nach auch für Holzbauten. All dies erfordert mehrere Gewerke, summiert enorme Herstellungs- und Lieferketten der benötigten Materialien, die alle wiederum aufgetragen und miteinander verbunden werden müssen. Das kann weder wirtschaftlich noch nachhaltig sein, ganz zu schweigen vom späteren Recycling.

Für das Leichtbetonhaus in Ettlingen sowie die anderen bereits von der Bauwerk Bauunternehmung mit diesem Baustoff realisierten Gebäude, ließ Heidelberger Beton die Rezeptur vom Betonlabor der Betotech Eppelheim entwickeln. Während der Rohbauphase wurde das Bauunternehmen auf der Baustelle von einem Baustoffprüfer oder Betontechnologen begleitet, der bei Lieferung und Einbau die Frischbetoneigenschaften entsprechend der gewählten Rezeptur überwachte.

Der dämmende Leichtbeton hat die Rohdichteklasse D 1,0 und weist in Ettlingen eine Wärmeleitzahl 0,25 W/mK auf. Inzwischen hat das Bauunternehmen ein weiteres Wohnhaus mit LC12/13 hergestellt, bei dem das Betonlabor die Rezeptur bis zur Wärmeleitzahl 0,22 W/mK optimiert hat. Eine Transformation des Bauens in Richtung Nachhaltigkeit bei gleichzeitiger Wirtschaftlichkeit ist machbar, braucht aber politische Impulse: „Die Politik muss die Rahmenbedingungen schaffen“, meint der Unternehmer, „dann ist eine sprunghafte Veränderung möglich.“ Technologisch sei das schon absehbar. „Leichtbeton LC12/13 mit Bewehrung ist für mich die Quadratur des Kreises“, sagt er, und sei in diesem Szenario ein konkurrenzloses Produkt: „Wenn die Wärmeleitzahlen noch günstiger ausfallen, wird der Beton noch effizienter und wenn er in wenigen Jahren, wie angestrebt, CO2-neutral wird, ist er unschlagbar.“ Gilt das auch unter dem Aspekt der Reduktion des Ressourcenverbrauchs? Marek Zwolinski, Bereichsleiter Rhein-Main und Süd der Betotech, bestätigt, dass die Wandstärken bei noch geringerer Wärmeleitzahl bei künftigen Bauwerken reduziert werden könnten – im Rahmen dessen, was die Statik entsprechend der Festigkeit von Leichtbeton hergibt. „Seit ich Leichtbeton verbaue“, schildert Thomas Schweigert seine Erfahrung, „konnten wir die Wärmeleitzahl kontinuierlich, quasi von Bau zu Bau, optimieren – von 0,30 auf 0,25 auf 0,22 W/mK. Auch die Geschlossenheit des Oberflächengefüges wird von Bau zu Bau besser, der Beton wird homogener und bekommt eine dichtere Struktur, wird in Summe dichter, dadurch steigt auch seine Qualität.“ Die Leichtbetonrezeptur beinhaltet eine bestimmte Menge von Blähton und Blähglas. Beide Zuschläge sind in einem speziellen Verhältnis zueinander entscheidend für einen guten Dämmwert. Sie sind auch für die Anmutung des Betons relevant. „Die Frage stellte sich immer: Soll man beim Einbau mehr oder weniger rütteln, um ein überzeugendes Sichtbetonergebnis zu erlangen? Die große Erkenntnis war – entgegen mancher Empfehlung – viel mehr zu rütteln, damit die Feinanteile gut verteilt bleiben.“ Denn auf Blähton und Blähglas werde die Vibration beim Rütteln viel schlechter übertragen als auf die Körnung im Normalbeton, daher müsse man viel mehr verdichten, um sie gleichmäßig verteilt zu halten, weiß der Fachmann. Mehr Details zum Einbau behält der Spezialist in Sachen Leichtbeton für sich. Mit seinem Know-how überzeugt er immer mehr Bauherren. Denn seine Referenzobjekte beflügeln die Nachfrage. Inzwischen entstehen 60 bis 70 Prozent seiner Gebäude mit diesem Beton. Nahe Ziele sind ein eigenes Betriebsgebäude in Leichtbeton. Auch der angedachte Bau eines innovativen Mehrfamilienhauses dürfte spannend werden. In einer verdichteten städtebaulichen Situation könnte die Leichtbetonbauweise ihr architektonisches und energetisches Potenzial gleichermaßen voll zum Einsatz bringen.

Text: Susanne Ehrlinger

Faible für Leichtbeton

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Objektsteckbrief

Projekt: Einfamilienhaus Ettlingen

Architekten: baurmann.dürr Architekten, Karlsruhe Bauunternehmen: bauwerk bauunternehmung gmbh, Reilingen

Beton: Heidelberger Leichtbeton LC12/13 XC4, XF1, WF, F4; Rohdichteklasse D 1,0 mit Zuschlägen aus Blähton und Blähglas, Wärmeleitzahl 0,25 W/mk

Betonproduzent: Heidelberger Beton GmbH, Gebiet Kurpfalz/Karlsruhe

Betonentwicklung: Betotech Baustofflabor GmbH, Baustofftechnisches Labor Eppelheim

Fertigstellung: 2019

Fotograf: Stephan Baumann, Karlsruhe

Auszeichnung: „Hugo-Häring-Auszeichnung 2020“ des BDA für vorbildliche Bauten in Baden-Württemberg Ausgewähltes Projekt im Wettbewerb „Häuser des Jahres 2020“ des Deutschen Architekturmuseums und des Callwey-Verlags (ISBN 978-3-7667-2485-4)

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