Stuttgart 21 zählt zu den ambitioniertesten Infrastrukturprojekten in Europa. Mit dem Bau von vier neuen Bahnhöfen, 44 Brücken sowie 16 Tunneln und Durchlässen wird der Bahnknoten Stuttgart neu geordnet. Zur Freude der geschätzt rund zehn Millionen Reisenden pro Jahr. Sie benötigen vom Ulmer Hauptbahnhof dann 30 Minuten zum Flughafen, von der Stuttgarter City sogar nur noch acht. Doch so weit ist es noch nicht. Unter dem Gelände der Flughafen Stuttgart GmbH (FSG), auf dem sich auch die Messe befindet, wird noch eifrig gebohrt, gebaggert und gebaut. Und dies auf engstem Raum. Denn der Regelbetrieb auf dem Privatgrund der FSG soll ungestört weiterlaufen und die Lärmbelästigung so gering wie möglich sein.
Tor in die Tiefe
Eine Schlüsselrolle spielt dabei der Zugang Ost. Über diese 34 Meter tiefe und im Durchmesser 45 Meter weite kreisrunde Öffnung werden die einzelnen Tunnelbaustellen versorgt: mit den nötigen Fahrzeugen, Spezialgeräten sowie mit Tonnen von Bewehrungsmaterial und Beton. Umgekehrt wird über den Schacht der Aushub nach oben befördert. Der komplette Verkehr in und aus dem Schacht wird von einem Brückenkran bewerkstelligt, der bis zu 50 Tonnen heben kann. Damit könnte er auf einen Streich drei Betonmischer, die leer jeweils 15 Tonnen wiegen, locker in den Untergrund hieven.
Die Innenwand der Öffnung ist mit Spritzbeton in einer Stärke von bis zu einem Meter ausgekleidet. Zusätzlich ist sie mit vier horizontalen Verstärkungsringen stabilisiert. Diese Ringe sind ihrerseits mit bis zu zehn Meter langen Ankern – im gesamten Schacht sind 2.300 Anker verbaut – im Erdreich rückverankert.
Meter für Meter
Seit April 2021 sind die vier Tunnelröhren in Arbeit, jeweils zwei in Richtung Ost und West. Sie werden vom Schacht aus in konventioneller Bauweise vorgetrieben, das heißt, die Bauteams lösen den Fels mit Bagger und Meißel, bewehren ihn im Anschluss und sichern ihn mit Spritzbeton.
Bautechnisch ist das Ganze durchaus eine Herausforderung, da wir kein Regelprofil haben. Durch die Verschneidungen mit den Schächten Zugang Ost, Entrauchungsbauwerk Mitte und zentraler Zugang gewinnt das ganze an Komplexität – vor allem auch in Bezug auf die spätere Herstellung der Innenschale.
Marlene Grad, Bauleitung Tunnelbau bei der ARGE Flughafentunnel
Zum Schalen nutzen die Teams einen Schalwagen, der eigens im Schacht zusammengebaut wurde. In der Regel schalt dieser Wagen Blöcke von zehn Metern Länge. Es sind aber auch längere Abschnitte dabei; der längste misst 28 Meter. Das erfordert Betonmengen in der Größenordnung von 600 bis 700 Kubikmetern.
Lückenlose Lieferkette
Für deren Herstellung und Anlieferung ist die Firma Godel Beton zuständig. „Damit der Beton pünktlich in der erforderlichen Qualität und Menge dort ist, wo er gebraucht wird, haben wir zentral auf dem Gelände eine mobile Mischanlage platziert“, erklärt Stephan Froß, Bereichsleiter der mobilen Anlagen, Godel Beton. Rund 15 Betonmischer versorgen die Baustelle mit dem Rohstoff, wobei allein drei Mischfahrzeuge für den Transport von Spritzbeton abgestellt sind. Alle Fahrzeuge fahren bis an den Rand des Schachts und entleeren ihre Mischertrommel in ein Fallrohr.
Da alle Betonsorten über das gleiche Fallrohr transportiert werden, sind wir mit den Kolleginnen und Kollegen unten in ständigem Austausch, welcher Beton wann in welcher Menge benötigt wird.
Stephan Froß, Bereichsleiter der mobilen Anlagen, Godel Beton
Aufgefangen wird der Beton von einem zweiten Fahrzeug im Schacht, das den Rohstoff schließlich zum Einsatzort in den einzelnen Tunnel transportiert: den Spritzbeton an die Baustelle, wo der Tunnelvortrieb in Richtung Osten und A 8 stattfindet, die anderen Betonsorten zum Tunnelausbau in westlicher Richtung, wo das Team bereits die Sohle und Innenschale fertigt.
Objektsteckbrief
Projekt: Neubau Flughafentunnel und Filderbahnhof
Auftraggeber: DB Projektbau GmbH
Beauftragtes Bauunternehmen: ARGE Flughafentunnel
Betonbedarf: insgesamt rund 400.000 m3
Betonzulieferer: GODEL-BETON Gmbh, Stuttgart
Zementlieferant: HeidelbergCement-Werk Schelklingen
Projektbetreuung: Dr. Klaus Felsch und Werner Beer