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Offshore-Anlagen mit innovativen Suction-Bucket-Gründungen // Ausgabe 4/2018

Daher bläst der Wind

Am Standort Borkum Riffgrund 2 wurden 20 Windkraftanlagen auf Becherfundamenten, sogenannten Suction Buckets, gegründet. Mit einem eigens hierfür entwickelten Verfüllbaustoff ließen sich die verbleibenden Hohlräume der im Saugverfahren eingebrachten Fundamentrohre kraftschlüssig verfüllen.

Infrastruktur

Schon im Altertum soll Windenergie mittels Mühlen genutzt worden sein. Doch erst mit Beginn der 2000er Jahre wächst laut Global Wind Statistics der Ertrag von Windkraftanlagen weltweit rapide an. Seither entwickelt sich Windenergie zu einer relevanten Alternative zu den fossilen Energieträgern. Doch mittlerweile stoßen die Anlagen an Land immer häufiger auf Widerstand seitens der Bevölkerung. Zu hoch, zu dicht ist das Credo und so liegt nahe, große Windparks offshore, also weit draußen vor der Küste, aufzustellen.

Doch auch im Meer gibt es Bewohner, die sich insbesondere durch den Bau der Anlagen, der mit lautem und schallerzeugendem Einrammen der Fundamente einhergeht, gestört fühlen könnten. So hat das dänische Unternehmen Ørsted nicht zuletzt aus Gründen des Umweltschutzes für den Bau seiner Offshore-Anlagen eine Methode weiterentwickelt, die sich bereits beim Bau schwerer mariner Infrastruktur wie Ölplattformen bewährt hat.

Suction Buckets für mehr Umweltschutz

Wo es der Meeresboden erlaubt, arbeitet sie mit Saugfundamenten, sogenannten Suction Buckets. Casper Frost Thorhauge ist beim Weltmarktführer in Sachen Offshore verantwortlich für den Bau des jüngsten Windparks, der rund 54 Kilometer vor der deutschen Nordseeküste liegt: „Mit Borkum Riffgrund 2 setzen wir als erstes Unternehmen in Deutschland auf Acht-Megawatt-Turbinen. Zudem haben wir 20 Suction-Bucket-Jacket-Fundamente installiert. Damit sind wir erneut Vorreiter für innovative Technologien und tragen maßgeblich zur Weiterentwicklung von Offshore-Windanlagen und der Wettbewerbsfähigkeit dieser Energieerzeugung bei." Inzwischen liefert der Windpark vor der ostfriesischen Insel bereits Strom. Insgesamt wird Borkum Riffgrund 2 eine Kapazität von 450 Megawatt haben. Damit können umgerechnet rund 460.000 deutsche Haushalte mit regenerativer Energie versorgt werden.

Mit Borkum Riffgrund 2 setzen wir als erstes Unternehmen in Deutschland auf Acht-Megawatt-Turbinen.

Casper Frost Thorhauge

Beim Windpark vor der Insel Borkum ließen sich 20 von 56 Windkraftanlagen mit Suction-Bucket-Jacket-Fundamenten installieren. Das Suction Bucket ist eine Fundamentart für Windturbinen mit einem quaderförmigen oder zylindrischen Hohlkörper. Dieser wird ähnlich wie eine Saugglocke mit der Öffnung nach unten auf dem Meeresboden abgesetzt. Durch die Erzeugung von Unterdruck saugt sich das Fundament in den Boden ein und der von außen vorhandene Wasserdruck bewirkt, dass der Hohlkörper in den Meeresboden einsinkt und dort fest gegründet wird. Umweltauflagen lassen beim Einbau nur eine bestimmte Geräuschentwicklung zu.

Spezieller Verfüllbaustoff für mehr Stabilität

Die innovative Methode mit Suction Buckets ist geräuschlos und gilt, da kein störender Schall übertragen wird, als sehr umweltverträglich. Die Installation solcher Fundamente geht insgesamt schneller und ist damit auch kostengünstiger. An ihrem oberen Ende bleibt allerdings ein Hohlraum, der mit Meerwasser gefüllt ist. Damit dynamische Lasten die 20 bis 30 Meter langen Rohre mit einem Durchmesser von circa acht bis zehn Metern nicht zum Wanken bringen, muss dieser Abschluss komplett und kraftschlüssig verfüllt werden. Daher wird bei dieser Bauweise ein spezieller Verfüllbaustoff mittels einer Injektionsleitung über eine Einfüllöffnung am Verschlussdeckel in den 0,3 bis 1,5 Meter hohen Hohlraum eingepumpt.

Es galt also einen Baustoff zu entwickeln, der mit Meerwasser anmischbar ist, sich unter Wasser nicht entmischt und gleichzeitig auch eine gute Fließfähigkeit aufweist. Ørsted hatte aus Umweltschutzgründen zudem vorgegeben, dass die vollständige Verfüllung und somit das Austreten der Suspension aus der Auslassöffnung deutlich zu erkennen und folglich rasch zu beenden sein müsse. Eine reizvolle Aufgabe für das Team um Bauingenieur Pufahl, der bei HeidelbergCement in Ennigerloh zuständig für dieses Projekt ist.

Natürlich sind Verfüllbaustoffe unser tägliches Brot, aber dieses Projekt war schon eine spezielle Herausforderung.

Christof Pufahl

Entwicklung des Verfüllbaustoffs dauerte mehrere Jahre

Es entwickelte für diese Anforderungen extra einen geeigneten Verfüllbaustoff. Denn würde man den verbleibenden Hohlraum mit einem OPC (ordinary portland cement) verfüllen, bestünde die Gefahr, dass es während der Unterwasserverfüllung zu einer Entmischung käme und keine 100-prozentige Verfüllung erreicht werden könnte. Außerdem entsteht beim Abbinden einer reinen Zementsuspension eine enorme Hydratationswärme, die es bei der Neuentwicklung zu minimieren galt.

„Wir haben bei den ersten Laborversuchen in Ennigerloh das Laufen gelernt“, entsinnt sich Christof Pufahl, der bereits Anfang 2014 mit Unterstützung seiner Kollegen Versuche für dieses Offshore-Projekt durchführte. In Begleitung der Unternehmen Ørsted, GeoSea und FoundOcean wurde Anfang 2018 ein nahezu maßstabsgetreuer Versuch in Schottland durchgeführt, bei dem es galt, den Baustoff unter Orginalbedingungen mit Meerwasser anzumischen und den Hohlraum eines nachgebildeten Fundamentrohrs zu verfüllen. „Der eigentlich von allen aus den Vorversuchen favorisierte Baustoff erwies sich unter diesen doch sehr besonderen Umgebungsbedingungen als nicht praktikabel“, erinnert sich der Bauingenieur. „So wurde ein zweiter Baustoff, den wir als Backup schon in petto hatten, ins Rennen geschickt und das Ergebnis war – das muss man sagen – brillant“, erläutert der Experte.

„Man konnte an der Versuchsanlage den Deckel heben, was in der Realität nicht möglich ist, und es zeigten sich kein Hohlraum und keine Delle. Natürlich sind Verfüllbaustoffe unser tägliches Brot, aber dieses Projekt war schon eine spezielle Herausforderung und ist für uns eine besondere Referenz.“

Weitere Informationen zum dänischen Unternehmen ØRSTED und zur Kapazität des Offshore-Windparks:

Produkt mit besonderen Eigenschaften

„Eigentlich ein Ritt auf einer Rasierklinge.“ So beschreibt Christof Pufahl aus der Abteilung Geotechnik der HeidelbergCement AG das Prozedere zum Einbringen des speziellen Verfüllungmaterials für Borkum Riffgrund 2. Der Baustoff aus Ennigerloh wird auf hoher See auf Spezialschiffen mit Meerwasser angemischt, unter Wasser per Pumpe in den Hohlraum des Fundamentrohrs eingebracht, wo er sich selbständig ausbreiten und dort vorhandenes Meerwasser verdrängen muss. Beim Abbindeprozess darf der Spezialbaustoff nur eine moderate Hydratationswärme entwickeln. Pro Fundamentrohr sind rund 30 Kubikmeter der Suspension erforderlich, die bis zu zwei Stunden pumpfähig sein muss. Der Baustoff soll also eine hohe Kohäsion bei gleichzeitiger geringer Viskosität aufweisen, was sich eigentlich beißt. Letztere war dem Auftraggeber besonders aus Umweltschutzgründen wichtig. So läuft außer einem sichtbaren grauen Schleier nichts über, sobald der Hohlraum voll ist, und der Pumpvorgang kann dann beendet werden. Der Baustoff muss also „gutmütig sein“, wie der Experte das nennt. Insgesamt bewegt sich das Backfilling Material in einem ganz klar definierten Grenzbereich. Für die Spezialisten von der Geotechnik aus Ennigerloh war die geforderte Systemprüfung besonders spannend, die Nachweise bis ins Detail erforderlich machte.

Einbau auf hoher See

Das Werk Ennigerloh von HeidelbergCement hat insgesamt 2.000 Tonnen Spezialbaustoff an transportable Silos im niederländischen Vlissingen und in Cuxhaven für die Verfüllung der Fundamente von 20 Offshore-Windkraftanlagen geliefert. Riesige Schiffe des Unternehmens GeoSea, die sich an den jeweiligen Standorten des Offshore-Windparks über Wasser aufständern und verankern können, nahmen gefüllte Silos jeweils im Austausch zu leeren auf und transportierten diese zum Einbauort vor der Insel Borkum. Von Cuxhaven aus wurden allein 1.600 Tonnen transportiert. Das Spezialmaterial war eigens für die erforderliche Verfüllung von Hohlräumen in sogenannten Suction-Bucket-Jacket-Fundamenten entwickelt worden. Zunächst waren diese Saugfundamente von den Schiffen aus mittels Vakuumpumpen geräuscharm im Boden verankert worden. Der verbleibende Hohlraum in ihnen musste aus Stabilitätsgründen verfüllt werden. Daher wurde direkt offshore in Mischanlagen auf den Schiffen das Verfüllmaterial mit Meerwasser angemischt und diese Suspension binnen zweier Stunden unter Wasser in das obere Ende des Fundamentrohrs gepumpt. Circa 30 Kubikmeter waren pro Fundamentrohr erforderlich. War das Rohr gefüllt, deutete dies ein Grauschleier im Wasser an. Durch die speziellen Eigenschaften des Materials wurde ein Austreten an der Auslassöffnung schnell deutlich und minimierte das Austreten ins Meer. Gleichzeitig sichert die eingestellte Enddruckfestigkeit von circa 20 Newton pro Quadratmillimeter (N/mm2) die Standsicherheit der Windenergieanlage trotz enormer dynamischer Lasten auf hoher See.

Kasten Ørsted

Das dänische Unternehmen Ørsted glaubt an eine Welt, die ausschließlich auf erneuerbare Energie setzt. Daher plant, baut und betreibt das Unternehmen Offshore-Windparks, entwickelt und betreibt Biomasse-Kraftwerke sowie innovative Abfallverwertungsanlagen und bietet seinen Kunden intelligente Energielösungen. Ørsted ist Weltmarktführer im Bereich Offshore-Windenergie. Mit den in Deutschland bereits installierten Windparks Borkum Riffgrund 1, Gode Wind 1 und 2 sowie zukünftig Borkum Riffgrund 2 kann das Unternehmen umgerechnet rund 1,4 Millionen deutsche Haushalte mit Strom versorgen. Darüber hinaus hat das Unternehmen die Möglichkeit, weitere Projekte mit insgesamt 1.142 Megawatt in Deutschland zu bauen und ab 2024/25 in Betrieb zu nehmen. Weltweit hat Ørsted bereits Offshore-Windparks mit einer Gesamtkapazität von 5,1 Gigawatt errichtet.

Strom für Hundertausende

Nach der Fertigstellung hat der Offshore-Windpark Borkum Riffgrund 2 eine Kapazität von 450 Megawatt. Damit können umgerechnet rund 460.000 deutsche Haushalte mit grüner Energie versorgt werden. Die vollständige kommerzielle Inbetriebnahme ist für 2019 geplant. Der zukünftige Betrieb der Windturbinen wird von Ørsteds Betriebsführungszentrale in Norden-Norddeich aus betreut. Neben Ørsted ist Global Infrastructure Partners (GIP) zu gleichen Teilen am Projekt beteiligt.

Suction Bucket Jacket

Bei der Suction-Bucket-Jacket-Methode handelt es sich um eine dreibeinige Jacket-Struktur mit Becherfundamenten. Anstatt das Fundament in den Meeresboden zu rammen, wird es mittels Ansaugverfahren im Boden verankert. Neben den geringeren Kosten aufgrund einer schnelleren Installation und dem einfacheren Rückbau sind die kaum vorhandenen Geräuschmissionen ein großer Vorteil.

Daher bläst der Wind

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Objektsteckbrief

Projekt:
Borkum Riffgrund 2
Bau der Fundamente eines Offshore-Windparks

Bauherr:
Ørsted Wind Power Germany GmbH, Hamburg

Ausführendes Unternehmen:
GeoSea NV (DEME Group), Zwijndrecht, Belgien

Produkt:
Backfilling Material, 2.000 t für 20 Anlagen à 3 Fundamentrohre

Lieferwerk:
Werk Ennigerloh, HeidelbergCement AG

Lieferzeitraum:
Juni bis August 2018

Stromlieferung:
vollständige Inbetriebnahme ab 2019

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