An historischen Vorbildern orientiert
Dieses architektonische Kleinod wurde von dem Architekturbüro Brückner & Brückner aus Tirschenreuth geplant und gebaut. Dessen Mitarbeiter ließen sich bei dem Entwurf von jahrelangen Studien zu historischen Wegkapellen der Region inspirieren. Bei deren Aufmaß entdeckten sie ein gewisses Gestaltungsmuster: Erstens sind diese Sakralbauten meist längsrechteckig und bieten Platz für eine kleine Personengruppe. Zweitens besitzen sie immer Bereiche, in denen Besucher Kerzen aufstellen oder Kärtchen mit Widmungen hinterlassen können. Elemente, die die Architekten bei ihrer Planung übernahmen. So hat die Kapelle in den Waldnaabauen eine Grundfläche von sechs auf drei Metern. Ungewöhnlich ist jedoch ihre vertikale Dimension. Mit über neun Metern ragt der Bau turmartig in die Höhe und erweckt den Eindruck, Himmel und Erde verbinden zu wollen.
Regionaler Teichsand und Weißzement
Geht man auf die Kapelle zu, scheint sie sich aus dem Wasser emporzuheben. Kein Wunder, denn ihr Sockel steht teilweise im See. Um diesen Eindruck optisch zu verstärken, setzten die Planer einen Zuschlag ein, der vom Grund des Teiches stammt: Kaolinsand. Das feine weiße Material wurde früher in der Porzellanindustrie verwendet, die in dieser Region sehr bedeutend war. Es verleiht dem Beton grundsätzlich eine helle Farbe. Bei seiner Rezeptur vertrauten die Architekten auf die Heidelberger Beton Grenzland, deren Werke sich in Tirschenreuth, Marktredwitz und Selb befinden. In enger Kooperation mit deren Spezialisten stimmten die Planer die Zusammensetzung des Kunststeins ab. So fiel die Wahl auf den Weißzement i.design Roccabianca CEM II / A-LL 42,5 R von Italcementi. Dieser Portlandkompositzement der 100-prozentigen Tochter von Heidelberg Materials wird aus eisenarmen Rohstoffen hergestellt und ist dadurch sehr hell.
Sichtbeton: noch weißer und einheitlich
Den Wunsch der Planer nach einem noch weißeren Beton erfüllten die Verantwortlichen, in dem sie der Mischung zusätzlich weißes Flüssigpigment (3 Prozent gemessen am Zementgehalt) zugaben. Dadurch intensivierten sie dieses Erscheinungsbild. Hinsichtlich der Wasserundurchlässigkeit profitierten die Baubeteiligten davon, dass der Zement eine gute Endfestigkeit hat und sehr dauerhaft ist. So musste lediglich der W/Z-Wert auf unter 0,50 reduziert werden – weitere Vorkehrungen waren nicht erforderlich. Größeren Aufwand bereitete jedoch die Lage des Objektes: Einerseits ist die Kapelle 50 Kilometer von dem Frischbetonwerk entfernt, welches das Material lieferte. Und andererseits befindet sie sich mitten im Wald. Das bedeutet, die Anlieferung konnte zum Teil nur über Rad- und Forstwege sowie eine eigens errichtete Baustraße erfolgen. Um dabei stets die erforderliche Qualität des Betons zu erhalten, verwendeten die Mitarbeiter der Heidelberger Beton Grenzland entsprechende farblose Verzögerer. So trugen sie dazu bei, dass der Betonsockel überall ein einheitliches Erscheinungsbild hat.
Die Kapelle spiegelt in gewisser Weise den Weiher wider. Deshalb haben wir für den Beton, der zum Teil im See steht, Kaolinsand genutzt. Dieser stammt ebenfalls aus dem Gewässer. Weil die Kapelle zudem von hochwachsenden Fichten umgeben ist, setzten wir für den oberen Teil des Gebäudes horizontal angeordnete Fichtenstämme ein. Eine Verbindung beider Elemente entsteht durch die Schalung, dank derer sich die Fichtenholzstruktur auf dem Beton abzeichnet.
Stephan Gräbner, verantwortlicher Architekt des Projekts
Holzstruktur im Beton
Innen wie außen ist der Sockel in unterschiedlichen Höhen abgestuft. Er kann als Sitzbank genutzt werden, die Funktion eines Altars übernehmen oder als Ablagefläche für Kerzen, ein Gästebuch oder ähnliches dienen. Bei der Schalung setzten die Planer sägeraues, horizontal angeordnetes Fichtenholz ein. Das hatte den Vorteil, dass dessen Holzmaserung sich auf der Oberfläche des Betons abbildet. So wird ein schöner Übergang zu den 325 Fichtenholzbalken geschaffen, aus denen der obere Teil des Gebäudes besteht. Diese haben einen quadratischen Querschnitt mit 25 Zentimeter Kantenlänge und erinnern an ein horizontal angeordnetes Holzbündel, das auf den Sockel gestellt wurde. Von außen betrachtet, ist der Sakralbau relativ monolithisch. Dies ändert sich jedoch beim Betreten des Objekts. Hier ordneten die Architekten die unterschiedlich langen Balken derart kunstvoll an, dass eine optische Sogwirkung nach oben hin entsteht. Dort befindet sich mit dem Oberlicht auch die einzige große Lichtquelle des Raumes.
Ort der Andacht
Diese gut durchdachte Gebäudegeometrie, zusammen mit dem bewussten Materialeinsatz und dem ungewöhnlichen Ort, verleiht der Kapelle eine erhabene ruhige Atmosphäre. Und auch wenn sich sowohl an der Fassade als auch im Innenraum ein christliches Kreuz befindet, steht der Bau allen offen, die Schutz, Ruhe und Besinnung suchen. Dies zeigen auch die Eintragungen des rege genutzten Gästebuches, das sich im Vestibül der Kapelle befindet.
cea
Naherholungsgebiet mit Sehenswürdigkeiten
Die Tirschenreuther Teichpfanne ist eine einzigartige Landschaft in der Oberpfalz, die aus knapp 4.000 Seen besteht. Die meisten wurden im Mittelalter von Mönchen, Bauern und Bürgern angelegt, um Karpfen zu züchten. Dementsprechend sind die Gewässer oft ein bis zwei Meter tief und werden durch schmale Dämme voneinander getrennt. Früher fuhr die Vizinalbahn durch das Gebiet. Sie verband die Gemeinden Wiesau und Bärnau. Nach ihrer Stilllegung wurde die Strecke als Fahrradweg genutzt und somit das Areal besser für Radfahrer, Wanderer und Naturliebhaber erschlossen. Um die Teichpfanne für Besucher noch interessanter zu machen, schufen unterschiedliche Institutionen mehrere Anziehungspunkte. Neben der Kapelle entwarfen die Mitarbeiter des Büros Brückner & Brückner Architekten noch zwei weitere sehenswerte Objekte: die Himmelsleiter – ein 70 Meter langer und 20 Meter hoher Aussichtspunkt, der einen tollen Blick über die Tirschenreuther Teichpfanne gewährt – sowie die Heusterzbrücke, eine elegante Stahlkonstruktion, die die Waldnaab überquert.
Objektsteckbrief
Projekt: Wegkapelle in den Waldnaabauen
Bauherr: Rotary-Club Stiftland, https://stiftland.rotary.de, Projekt ist komplett mit
Spendenmitteln finanziert
Architekten: Brückner & Brückner Architekten GmbH, Tirschenreuth
Bauunternehmen: Schulwitz Bau GmbH, Tirschenreuth
Beton: ca. 31 m3 Beton, Sichtbetonklasse: SB3, Expositionsklassen XC4, XS1,
XF1, WF, Heidelberg Materials Grenzland GmbH & Co. KG
Zement: CEM II / A-LL 42,5 R weiß von Italcementi
Zimmerer-, Dachdecker- und Spenglerarbeiten: Schatzberger Holz-Haus-Bau, Wiesau
Fertigstellung: Mai 2022 (14.05.2022 Einweihung)