Die ehemalige ADGB war eine Bildungseinrichtung für Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter. Sie wurde federführend von Hannes Meyer entworfen und zwischen 1928 und 1930 errichtet. Doch das Gebäude konnte seine Bestimmung nur drei Jahre lang erfüllen, dann wurde es von den Nationalsozialisten beschlagnahmt. Mit Kriegsende besetzte die sowjetische Armee das Objekt und übergab es später der DDR. Nach der Wiedervereinigung wurde die Schule unter Denkmalschutz gestellt und als UNESCO-Welterbe deklariert. Dies nahm die Stadt Bernau zum Anlass, das Ensemble um einen Pavillon zu erweitern, in dem sich Interessierte über die Geschichte und Architektur des Ortes informieren können.
Glashaus mit Sichtbeton im Kiefernwald
Infolgedessen schrieb sie im Jahr 2018 einen Architektenwettbewerb aus, den das Stuttgarter Büro Steimle Architekten gewann. Dessen Entwurf sah einen knapp 500 Quadratmeter großen Baukörper vor, der in den vorgelagerten und wieder aufgeforsteten Kiefernwald integriert ist und leicht erhöht liegt. Beim Betreten des Gebäudes wird der Besucher von einer großzügigen Terrasse empfangen, die durch ein sechs Meter auskragendes Dach geschützt ist. Schnell fällt auf, dass die Außenhaut des Objektes fast ausschließlich aus Glas besteht. Im Innern sind zwölf Betonwände in einem Abstand von drei Metern so angeordnet, dass eine Reihung entsteht. Diese schafft eine offene, fließende Raumabfolge. Dabei befinden sich die Wände nicht mittig in dem 43,3 Meter langen und 14,6 Meter breiten Grundriss. Vielmehr sind diese nach Westen verschoben und teilen so das Objekt in einen etwas schmaleren Flur und einen breiteren länglichen Bereich, der den Blick zur Bundesschule gewährt und für Ausstellungen sowie Tagungen genutzt werden kann. Die Nebenräume hingegen orientierten sich nach Westen hin zu den Parkflächen.
Kombination aus Normal- und Leichtbeton
Für die Errichtung des Pavillons wurden fast ausschließlich Baustoffe verwendet, die auch in der Bundesschule genutzt worden waren. Auch Beton sollte eingesetzt werden, und die Planer entschieden sich für eine Kombination aus Normal- und Leichtbeton. Damit die Betone den hohen Anforderungen hinsichtlich des E-Moduls und der Wärmeleitfähigkeit gerecht werden konnten, waren im Vorfeld aufwendige Versuche erforderlich. Für Dach und Innenwände wurde Normalbeton verwendet. Hier reizten die Planer die Möglichkeiten des Stahlbetons mit 15 Zentimeter starken Wänden aus. Für die Herstellung wurde daher ein Portlandhüttenzement CEM II/B-S von Heidelberg Materials verwendet. Der Leichtbeton wurde hingegen für die beiden Betonwände der Stirnseiten des Gebäudes sowie für die umlaufende Attika verwendet. Hier kam ein Hochofenzement CEM III/A von Heidelberg Materials zum Einsatz. Die Blähtonkugeln als Zuschlagmittel im Leichtbeton verleihen ihm seine wärmedämmtechnischen Eigenschaften und reduzieren die Wärmeleitfähigkeit des Baustoffs so sehr (λ < 0,45 W/(mk)), dass auf eine mehrschichtige Konstruktion beziehungsweise zusätzliche Isolierungen verzichtet werden konnte. Beide Betone haben eine feine Struktur und eine helle Farbe.
Holzschalung mit Relief
Genauso umsichtig gingen die Planer bei der Suche nach der geeigneten Schaloberfläche vor. Sie testeten verschiedene Materialien und Holzzuschnitte unterschiedlicher Sägewerke. Dabei fiel die Wahl auf ein Werk mit einer relativ alten Bandsäge. Ihr Sägeblatt konnte nicht stark gespannt werden und hinterließ dementsprechend eine leicht wellige Struktur auf dem Holz. Diese übertrug sich auf den Sichtbeton und verleiht ihm damit ein einzigartiges Aussehen. Beim Schalbelag entschieden sich die Verantwortlichen für skandinavisches Fichtenholz, das rückseitig mit einer Trägerschalung verschraubt wurde. Für ein einheitliches Erscheinungsbild des Beton wurde das Holz mehrfach vorgeschlämmt und gleichmäßig mit einer Trennmittelschicht versehen. Um gewährleisten zu können, dass das Schalungsbild den Vorstellungen der Planer entsprach, errichtete das ausführende Unternehmen im Vorfeld mehrere Musterwände im Maßstab 1:1. So fügt sich der Pavillon in die Umgebung ein. Erreicht wurde dies durch eine gute Planung und die sehr gute Zusammenarbeit aller Baubeteiligten.
Über die Schule
Die ehemalige Bundesschule des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes in Bernau ist ein gutes Beispiel für die Bauhaus-Architektur. Ihre Gestaltung ist geprägt von schlichter Funktionalität, klaren Linien und geometrischen Formen. Dabei fügt sie sich harmonisch in die natürliche Umgebung ein, orientiert sich an der Sonnenausrichtung und präsentiert eine lockere Anordnung der Baukörper. Die Anlage umfasst diverse Funktionsgebäude, darunter den Empfangsbereich mit Aula, das Lehrgebäude mit Klassenzimmern, Wohnhäuser für Schüler und Lehrer sowie Sportanlagen mit Schwimmbad und Sportplatz. Für ihren Bau wurden hauptsächlich Stahlbeton, Glas und Holz verwendet.
Leider konnten die Gewerkschaften das Objekt nur drei Jahre lang nutzen, dann wurde es von Nationalsozialisten beschlagnahmt. Diese machten daraus eine Reichsführerschule für Funktionäre, die dort eine ideologische Einweisung durchliefen. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Häuser-Ensemble teilweise beschädigt und diente als Lazarett. Als der Krieg vorüber war, besetzte die sowjetische Armee das Gebäude, die es später an die DDR übergab. Diese nutzte es als eine Pädagogische Hochschule für Lehrerinnen und Lehrer. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurde das Objekt unter Denkmalschutz gestellt und in das UNESCO-Welterbe aufgenommen.
Hannes Meyer (1889 - 1954)
Hannes Meyer wurde 1889 in Basel geboren und wuchs in einer Bauunternehmerfamilie auf. Da lag es nahe, dass er eine Ausbildung zum Maurer absolvierte und als Steinmetz sowie Bauführer arbeitete. Ferner war er in verschiedenen Architekturbüros tätig und engagierte sich politisch für die Genossenschafts- und Bodenreformbewegung. 1927 wurde er von von Walter Gropius an das Bauhaus Dessau gerufen und ein Jahr später zu dessen Nachfolger als Direktor ernannt. Er leitete die Architekturabteilung, reformierte die Struktur der Lehre und betonte die soziale Funktion der Architektur. Sein Motto hieß „Volksbedarf statt Luxusbedarf“. 1930 wurde Meyer aufgrund politischer Differenzen mit dem Dessauer Stadtrat und innerhalb des Bauhauses entlassen. Er emigrierte in die Sowjetunion, wo er an verschiedenen städtebaulichen und industriellen Projekten arbeitete, bis er 1936 das Land verließ. Er ging – nach einem kurzen Intermezzo in der Schweiz – von 1939 bis 1949 nach Mexiko, wo er als Professor lehrte und verschiedene öffentliche Aufträge erhielt. Hier engagierte sich Meyer auch für die mexikanische Kultur und unterstützte die indigene Bewegung. Hannes Meyer starb 1954 in Crossifisso di Savosa bei Lugano.
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Objektsteckbrief
Projekt: Besucherzentrum Bernau
Bauherr: Stadt Bernau bei Berlin
Architekten: Steimle Architekten GmbH, Stuttgart
Ingenieure: wh-p GmbH Beratende Ingenieure, Stuttgart
Bauunternehmen: Mark-A. Krüger Bauunternehmung GmbH
Beton: Heidelberg Materials, 132 m³ Normalbeton in C30/37, C35/45, C12/15; 168 m³ Leichtbeton in LC 12/13, Werk Berlin-Wuhlheide; Sichtbetonklasse SB2 und SB3
Zement: Heidelberg Materials: CEM III/A 32,5 N-LH(na), CEM II/B-S, Werk Königs-Wusterhausen
Fertigstellung: Februar 2022
Auszeichnung: Best Architects 2023 – Winner